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Warten auf Godot

Bewertung und Kritik zu

WARTEN AUF GODOT 
von Samuel Beckett
Regie: Ulrich Rasche 
Premiere: 6. September 2024 
Schauspielhaus Bochum 

Zum Inhalt: Estragon und Wladimir kommen auf einem trostlosen Feld zusammen. Genauer gesagt: Sie finden sich auf einer Bühne mit zwei Drehscheiben und einem imposanten, ringförmigen Plafond im Schauspielhaus Bochum wieder. Offensichtlich waren sie für eine Weile voneinander und von der Welt gerissen. Estragon ist wortkarg und vorsichtig; Wladimir neugierig und geduldig. Sie tasten sich wieder aneinander heran, zeigen einander vorsichtige Zuneigung und unterhalten sich, aber auch oft aneinander vorbei. Inmitten der atmosphärischen Klanglandschaften und Nebelschwaden arbeitet ihr Geist daran, die Bruchstücke der Gedanken und Erinnerungen zusammenzusetzen. Wer sind sie? Was führt sie hierher? Man weiß nicht, ob sie die Dinge wissen, weil sie sich mit Hilfe der Emotionen und Reize aktiv erinnern oder weil sie sie aus ihrer Vergangenheit herausholen wie aus einer Rumpelkammer. Langsam und vorsichtig. Das, was sie sagen, wirkt sich auf ihre Körpersprache aus, und diese wiederum formt ihre Worte, wodurch ein neuer Rhythmus in ihren Bewegungen entsteht. Ulrich Rasche gestaltet hier ausgehend vom Stück einen skulpturalen, geistigen Raum aus Licht, Bewegung und Klang. Die Spielweise, die Musik und das raumfüllende Bühnenbild orientieren sich stets an der Essenz der Sprache, an der Klaviatur von Becketts Text: rhythmisch, lyrisch, repetitiv / wiederholend.

Mit: Guy Clemens, Dominik Dos-Reis, Steven Scharf, Yannik Stöbener.

Regie: Ulrich Rasche, Bühne: Ulrich Rasche, Franz Dittrich, Kostüm: Annika Lu, Licht: Sirko Lamprecht, Komposition / Musikalische Leitung: Andrea Belfi, Dramaturgie: Mehdi Moradpour. Musiker*innen: Andrea Belfi, Alfred Brooks, Hilary Jefferey, Spela Mastnak.

4.0 von 5 Sterne
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Verzweifelte und Geworfene auf düsterer Drehbühne
29 Tage her.
Kritik

Keine traurigen Clowns, sondern existentiell Verzweifelte und in eine Nebel-Tristesse Geworfene erleben wir in Ulrich Rasches Bochumer „Warten auf Godot“. Die Beine werden schwer, der Rücken gekrümmt, die Knie schmerzen, doch unermüdlich müssen Wladimir und Estragon (Steven Scharf und Guy Clemens) über die Drehbühne schreiten. 

Die Unerbittlichkeit, mit der die Motive der Verzweiflung und Ausweglosigkeit bei Rasche auf die Spitze getrieben werden, macht diesen Godot zu einer der Inszenierungen, die von dieser Spielzeit in Erinnerung bleiben werden. 

In der traditionellen Bilanz der Jury, mit der jeder Theatertreffen-Jahrgang endet, wurde Rasches „Godot“ von mehreren Juror*innen als die Inszenierung genannt, die sie am meisten in der 10er Auswahl vermissen. Obwohl sich Rasche deutlich vom Überwältigungstheater seiner monströsen Bühnen-Ungetüme zu kleineren Formen wegbewegt hat, polarisieren seine Arbeiten immer noch sehr. Auch in der TT-Jury gab es anscheinend begeisterte Befürworter und entschiedene Gegner. „Warten auf Godot“ blieb jedenfalls auf der Shortlist hängen und wurde nicht in die 10er Auswahl eingeladen.

Wie kaum eine andere Stückvorlage passt der repetitive Charakter des Beckett-Stücks zu Rasches psychedelischem Stil passt, der „voll auf den Kopp geht“, wie ein begeisterter westfälischer Zuschauer sagte. Den Gegnern ist zuzugestehen, dass Rasches Stil im Kern immer derselbe ist und ihm bereits vier Theatertreffen-Einladungen sicherte, zuletzt im vergangenen Jahr mit Lessings „Nathan der Weise“. Das war wohl ein entscheidender Grund für die Jury, diesen Abend, der zurecht von den Kritiken als Ereignis und eindrucksvolles Exerzitium gefeiert wurde, als nicht bemerkenswert genug einzustufen.

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