Zum Inhalt: Mit Fever Room entwickelte der thailändische Filmmacher Apichatpong Weerasethakul ein Stück das Kino zu Theater macht. Die Zuschauer beobachten die Projektionsfläche, die allmählich verschwindet und mit ihr die Protagonisten, ihre Stimmen und Bilder. Basierend auf Weerasethakul’s Cemetery of Splendor (2015) werden die Figuren als Geister zu neuem Leben erweckt: ein ewig schlafender Kriegsveteran, dessen posttraumatischer Komazustand von einer weiblichen Figur beobachtet wird. Unter dem Krankenhaus liegt ein alter Friedhof, in dem ein mythenhafter Krieg wütet. Im nordöstlichen Thailand gelegen, bei Weerasethakul’s Geburtsort, befindet sich das Krankenhaus im Zentrum des Übergangs von Realität zu Transzendenz.
''Von den Theaterfähigkeiten des Filmregisseurs kann das zudem nicht überzeugen, denn: "Fever Room" ist schlicht keine Theaterarbeit. Grundlegende Eigenschaften von Theater sind: Theater ist live und Theater arbeitet mit Schauspielern – beides ist hier nicht der Fall. Diese Arbeit braucht den Theaterraum nicht unbedingt. Gezeigt wird ein Film mit Klang- und Licht-Installation, den man auch in einem Ausstellungsraum präsentieren könnte. Die Benennung "Schauspiel" der Volksbühne ist schlichtweg Etikettenschwindel.
Grundsätzlich scheint die neue Volksbühne unter Chris Dercon ein Theater ohne Schauspieler werden zu wollen. In den ersten vier Inszenierungen der Spielzeit war insgesamt nur eine einzige Schauspielerin erkennbar: Anne Tismer im "Beckett"-Abend. Bei "Iphigenie" stehen Laien auf der Bühne, bei "Women in Trouble" stecken die Spieler stumm und unkenntlich gemacht unter Masken (das könnten auch talentierte Statisten besorgen) – und bei Weerasethakul steht überhaupt niemand auf der Bühne. Eine verheerende Entwicklung eines Ensemble-Theaters in eine Mischung aus Museum und Festspielhaus.'' schreibt Barbara Behrendt auf kulturradio.de
Langsam fährt eine zweite Leinwand hoch. Der Abend kommt aber immer noch nicht in Fahrt. Wir erleben lange Flussfahrten über den Mekong und Aufnahmen von südostasiatischem Meeresrauschen: die ideale Meditation für Leute, die unter Schlaflosigkeit leiden und die verdienstvolle Reihe „Die schönsten Bahnstrecken Deutschlands“ vermissen, die früher vor dem ARD-Morgenmagazin als Einschlafhilfe diente.
Erst nach knapp 50 Minuten wird klar, warum „Fever Room“ eine große Bühne oder zumindest einen Museums-Raum braucht und in einem Programmkino falsch aufgehoben wäre. Die Technik der Volksbühne kommt zum Großeinsatz und lässt wie am Eröffnungsabend „Beckett/Sehgal“ ihre Muskeln spielen. Mit Lichteffekten lässt Weerasethakul einen großen Tunnel entstehen, der das Höhlenmotiv, das zuvor über die Leinwand flimmerte, aufgreift.
„Die Mittel von Großraumdisko und Stadionkonzert“, die hier mit klassischer Überwältigungsgeste aufgefahren werden, sind zwar altbekannt, wie Matthias Dell auf SPIEGEL Online anlässlich der deutschsprachigen „Fever Room“-Erstaufführung beim Steirischen Herbst 2016 anmerkte. Aber diese Lichtinstallation hat zweifellos ihren Reiz. Ein Schlund im Hintergrund der Bühne scheint alles in sich aufzusaugen und zu verschlingen. Weerasethakul spielt meisterhaft mit Farbschattierungen und Raumwirkung.
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''Der sich in Trockeneisnebel drehende Laserstrahl bildet dabei wechselnd eine trichterartige Höhle oder eine sich hebende und senkende zentralperspektivische Ebene, die einem das Gefühl geben, in diese dreidimensionale Lichtinstallation eingesogen zu werden. Musik, einzelne Stimmen und schattenartige Projektionen von Menschen sollen das Geschehen und die Gedanken der sich in ihren Träumen an frühere Begebenheiten Erinnernden in eine Dimension der Transzendenz überführen. Was recht esoterisch klingt und ein wenig auch an die Intension der Performance Woman in Trouble von Susanne Kennedy erinnert. Nur dass deren Arbeit nicht die immersive Kraft von Fever Room entfalten kann. Auch wenn man sich auf Weerasethakuls Denkart nicht einlassen möchte, überzeugt zumindest die technische Perfektion dieser audiovisuellen Installation, die den Raum der Volksbühne perfekt nutzt, ohne wirklich Theater zu sein.'' schreibt Stefan Bock am 10. Dezember 2017 auf KULTURA-EXTRA