Zum Inhalt: R: (am Telefon): Warst du denn jetzt beim Arzt? Darüber hast du mir nichts geschrieben. (…) Du musst da hingehen, was ist denn los mit dir, was machst du denn? (…) Wo bist du denn jetzt gerade? (…) Warst du denn bei der AOK? (…) Also du bist gerade nicht in der Verfassung zum Arzt zu gehen willst du sagen oder? (…) Wie lange hat denn der Chirurg auf, weißt du das, hast du das gesehen? (…) Oh man ey, man, man (…) Thomas, Thomas, hör mal zu, hi, hörst du mich? Also, ich bin jetzt doch früher zuhause als ich dachte, ich bin so 13:30 Uhr zuhause. Ich kuck jetzt mal, wie lange der Ullrich aufhat, ja? Du musst da noch hin, ich versteh nicht was du … Du denkst jetzt, du hast jetzt nen Verband und damit ist es getan, die haben dir doch gesagt, du musst dringend zum Chirurgen, die müssen dir den Finger aufschneiden. Nein hör auf, Thomas! Thomas! Du gehst da jetzt weg! Du hörst jetzt auf, du spinnst wohl, du hast doch nen Knall! Hör auf diese Anfälle zu kriegen, echt! (F kommt wieder) Du musst dich jetzt beruhigen! Du musst dich jetzt beruhigen! Ich bin in einer Stunde zuhause, ja? Ja? Hast du gehört? 13 Uhr 30 bin ich zuhause. Ja? Ok. Ja ok gut. Ok bis dann, ja? (Legt auf) Oh mein Gott, oh mein Gott. Der hat ne Blutvergiftung, der soll zum Chirurgen, er ist nicht gegangen!
Mit: Fabian Hinrichs
Text: René Pollesch Bühne: Anna Viebrock Kostüme: Tabea Braun Licht: Frank Novak Dramaturgie: Johanna Kobusch
Larmoyanz und Kulturpessimismus helfen nicht weiter
7 Monate her.
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Kritik
''Überhaupt gibt es schöne, auch versöhnliche Momente. Wenn ein Dutzend Statist:innen zuletzt auf die Bühne kommt zum Beispiel, und zeigt: Der Mensch ist nichts ohne den anderen Menschen. "Der Mensch. Er ist gewalttätig", sagt Hinrichs zu wunderschönen Schubert-Klängen. "Aber ich liebe ihn auch sehr. Ich liebe den Menschen."
Doch das kann nicht darüber hinweghelfen, dass der 70-minütige Abend wirkt wie ein sentimentaler Nachklapp zur Inszenierung "Geht es dir gut". Auch darin kreiste Pollesch um die Ratlosigkeit in Zeiten von Pandemie, Klimawandel und Krieg. "ja nichts ist ok" ist nun ähnlich, nur eben noch eine Umdrehung finsterer.
Und kommt damit an einer Art Endpunkt an. Dieser Abend weiß auch in seinen Mitteln nicht mehr recht weiter. Denn mit Ironie, mit Haltungslosigkeit, Kulturpessimismus und Larmoyanz kommt man den Entwicklungen der Welt längst nicht mehr bei. Was kann, was wird nach diesem doch sehr wehleidigen Abgesang kommen im Oeuvre von René Pollesch und Fabian Hinrichs?'' schreibt Barbara Behrendt auf rbbKultur
eine gespaltene Dreier-WG mit viel Weltschmerz und Knautschlackledersofa-Depression
7 Monate her.
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Kritik
''Bei Pollesch/Hinrichs spielt sich alles in und um den Bungalow ab. Die Dreier-WG aus Claudia, Paul und Stefan steckt in der Krise. Nicht nur Sepsis, Wurzelbehandlung und überall herumliegende Haare und Kleiderhaufen prägen ihren Alltag, sondern mittlerweile auch der zweite Krieg in Folge, wie man hört. Zur eigenen Egozentrik kommt eine zunehmend in zwei unversöhnliche Lager gespaltene Wahrnehmung der Wirklichkeit. Dazu ein ständiger Bekenntniszwang. Das lässt vor allem Paul in einen immer größeren Weltschmerz fallen. Der Pedant und Ignorant Stefan manifestiert die Spaltung mit einer Mauer aus Postpaketen. „Das ist die Welt, die ich mir bauen will!“ Statt gecancelt zu werden, ziehen Paul und Claudia per Airbnb in einen Bungalow mit Pool, wo allerdings Stefan und die Erkenntnis, dass man dem ganzen Elend nicht entkommen kann, bereits auf die beiden wartet.
Soweit zum dünnen Handlungsgerüst. Dahinter steckt allerdings etwas mehr als ein zur Belustigung des Publikums multiple im zweigeteilten Bademantel herum hüpfender Fabian Hinrichs. Pollesch lädt neben kleinen Witzchen seinen Text mit reichlich Pathos auf. Besonders sein Gefühls-Protagonist Paul frönt im nächtlich dunklen Bett seiner Knautschlackledersofa-Depression. „Ich sterbe in Einsamkeit und Scheiße. Claudia!“ Da hilft auch kein intelligenter, sprechender Kühlschrank. „Vor 560 Millionen Jahren war das Leben noch gewaltfrei“, erfahren wir im letzten Teil des Abends. Da schwammen noch Gliederfüßler friedlich im Wasser herum. Wie dieser Friedensprozess wiederbelebt werden kann, ist die große Frage des Abends. Aber der neben dem Bungalow aufgetürmte Pappmaché-Steinhaufen wirkt da eher wie eine dumpfe Vorahnung künftiger Zivilisationsgewalt. Vom Faustkeil zur Waffe, vom Rad zum Panzer. Bereits in seinem Stück Der perfekte Tag ließ René Pollesch Fabian Hinrichs über den menschlichen Fortschritt philosophieren. An diesem denkwürdig langatmigen Abend haben die beiden das Rad nicht gerade neu erfunden. Ist das Scheitern der Wohngemeinschaft als Metapher für die gespaltene Gesellschaft auch das Ende einer großen Künstlergemeinschaft?'' schreibt p. k. am 13. Februar 2024 auf KULTURA-EXTRA
Hilferufe gellen aus dem Off. Kurz danach spielt Fabian Hinrichs als zerrissene Figur das Personal einer WG, das sich gegenseitig würgt und am Pool zu ertränken versucht. Es sind noch keine fünf Minuten vergangen, da ritzt sich Hinrichs mit viel Kunstblut die Pulsadern auf.
„Geht es Dir gut?“ fragten sich René Pollesch und Fabian Hinrichs, die seit vielen Jahren als Co-Autoren und Co-Regisseure ihrer Abende firmieren. Das war im März 2022, als die Gesellschaft nach langen Pandemie-Jahren mit dem nächsten Krisen-Schock, dem Überfall auf die Ukraine und den explodierenden Rohstoffpreisen, konfrontiert war. Weitere knapp zwei Jahre später fällt die Antwort von Pollesch/Hinrichs eindeutig aus: „ja nichts ist ok“. Selten gibt es Abende, die sich so tief in ihre Depression und Verzweiflung eingraben.
Zwei Wochen nach der Premiere kam die Nachricht vom Tod des Intendanten und Co-Regisseurs René Pollesch. Die Todesszene am Schluss des Stücks war unwiderruflich die letzte Szene der langen, produktiven Zusammenarbeit mit Fabian Hinrichs. So wurde dieser „ja nichts ist ok“-Abend zum Vermächtnis und Endpunkt. Doch was hätte nach diesem bitteren Verzweiflungsabend noch kommen können, der zwischendurch bei flachen Witzen aus Kinderbüchern und der Boulevard-WG-Typenkomödie Zuflucht sucht, weil die Themen Tod, Schmerz und Einsamkeit, die im Zentrum des Schreibprozesses standen, sonst noch schwerer auszuhalten gewesen wären?