Zum Inhalt: Auf einer realen Theaterbühne scheint immer noch das am sichersten zu funktionieren, was das Publikum bereits kennt. Shakespeare? Sophokles? Schon wieder? Mit Anzügen? Die Performer:innen hinterfragen und untersuchen verschiedene Genres, die sie zu einer Nachbildung der Theatergattung „La Revista Argentina“ verschmelzen: eine Mischung aus Kabarett und Revue mit französischem Glamour, eingängiger spanischsprachiger Musik, dem Humor italienischer Einwanderer, vielen Federn, großen Musiknummern und berühmten Comedians. „La Revista Argentina“ entstand in der Zeit der Weimarer Republik, zeitgleich präsentierte Buster Keaton Das verwunschene Haus, wo Kriminelle und schlechte Schauspieler aus einem mittelmäßigen Faust zufällig aufeinandertreffen.
von und mit: Candaş Bas, Alexandra Bódi, Emil Bordás, Campbell Caspary, Fernanda Farah, Moritz Lucht, Thulani Lord Mgidi, Knut Vikström Precht, Miki Shoji, Shiori Sumikawa Gast: Carmen Burguess Live-Musik: Katrin Schüler-Springorum, Lucas Sofia
Konzept, Regie, Choreographie: Constanza Macras Dramaturgie: Carmen Mehnert Bühne: Simon Lesemann Kostüme: Eleonore Carrière Beleuchtung: Hans-Hermann Schulze Musik: Robert Lippok Dramaturgie Volksbühne: Sabine Zielke
''Allerdings ist Drama weniger verquasselt, obwohl auch hier einiges erklärt wird und sich Dorky-Park-Neuzugang Campbell Caspary als Sohn mal auf die Psycho-Couch legen darf. Dieser Abend schwelgt mehr in den guten alten Zeiten der Revue mit Flitter und Chorus-Lines, wie sie in Berlin noch im Friedrichstadtpalast zu sehen ist. Dabei verliert Macras die zum Teil prekären Nöte der KünstlerInnen nicht aus den Augen. Am Beispiel der argentinischen Revuen der 1960er- und 1970-Jahre fährt die Show viel Glamour auf, berichtet aber auch über die Probleme hinter dem Rampenlicht.
Der Abend überzeugt mit einigen tollen Gesangssolos und als witzige Nummernrevue. Da wird die Treppe schon mal zur Rutschpartie. Amy Macdonalds Pop-Hit This Is The Life erklingt gleich mehrfach als Akustik-, Mariachi-, Heavy-Metal- oder Techno-Version aus dem Internet. Ein Verweis auf die jungen Stars der TikTok-Generation. Aber auch der Tanz hat seine alten Film-Helden wie etwa im Klassiker A Chorus Line, der hier ebenfalls parodiert wird, wie auch der antike Theaterklassiker Antigone, womit der zweieinhalbstündige Abend dann in die dramatische Zielgerade geht. Constanze Macras kann sich damit als konstante Größe an der zuletzt dramatisch kriselnden Volksbühne behaupten.'' schreibt Stefan Bock am 23. Januar 2023 auf KULTURA-EXTRA
''In Drama gibt es immer ein doppeltes Spiel: Macras inszeniert eine frivole Unterhaltungsshow und macht sich darüber lustig und kritisiert die marktkapitalistischen Mechanismen, das Heteronormative und Patriarchale, die Zurichtung auf universellen Massengeschmack. Und passend zu unserer Zeit kritisiert sie auch Political Correctness im Theater: Heute würden ja alle People of Color sein wollen und sich mit People of Color solidarisch erklären. Denn es sei ja besser, Opfer zu sein als Täter. Eine scharfe Analyse, auf die allerdings gleich die nächste Popsong-Einlage folgt.
Trotz der Überlänge, der Übersättigung mit viel zu viel Glitzer-Glamour, trotz der Leerlauf-Momente, der Albernheiten und mitunter auch banalen Witzeleien funktioniert diese Unterhaltungs-Revue-Show, die die Kritik daran gleich mitliefert, prächtig. Das Publikum hat durchaus nachvollziehbar gejubelt.'' schreibt Frank Schmid auf rbbKultur
Kleine Nummer reiht sich an kleine Nummer, jede einzelne gekonnt präsentiert, aber das Manko des mehr als zwei Stunden langen, „Drama“ überschriebenen Abends ist, dass der rote Faden fehlt. Turbo-Tempo und Spielwitz prägen seit mehr als zwei Jahrzehnten die meisten Constanza Macras-Inszenierungen, aber diesmal wird über weite Strecken nicht klar, worauf die Choreographin hinauswill. Kurze Auftritte haben noch die in Berlin lebende argentinische Sängerin Carmen Burguess und der ok!choir, das Überangebot an Theatermitteln, die Macras auffährt, und an Stilen, die sie zitiert, ist nicht mehr als eine Stoffsammlung, der sichtlich der dramaturgische Schliff fehlt.
In der zweiten Hälfte des langen Abends schält sich mit der Hommage an das „La Revista Argentina“-Genre aus der Heimat von Macras ein dominantes Thema heraus. Mit tollen Kostümen von Eleonore Carrière und begleitet von den Live-Musiker*innen Katrin Schüler-Springorum, Lucas Sofia bespielt DorkyPark die Showtreppe. Ernste Themen wie die Ausbeutung junger, oft migrantischer Tänzer*innen in Tournee-Produktionen, prekäre Bezahlung und der Druck, sich auch krank getreu dem Motto „The show must go on“ auf die Bühne zu schleppen, werden kurz angetippt. Aber schon folgt das nächste Pop-Zitat und die übernächste Comedy-Nummer an einem Abend, der vielen im Publikum in seiner unbeschwerten Revuehaftigkeit Spaß machte, aber inhaltlich doch dünner bleibt als bessere Macras-Arbeiten.