DIE GEWEHRE DER FRAU KATHRIN ANGERER von René Pollesch
Premiere: 5. Juni 2021 (Theater an der Wien/Wiener Festwochen) Deutschland-Premiere: 26. September 2021 Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin
Zum Inhalt: „Wenn das Theater den Biss verliert, besetzen die Zahnärzte den Zuschauerraum“, schrieb Heiner Müller. Aber ich muss bei Zahnärzten immer eher an Folgendes denken: Wenn du wirklich Zahnarzt bist, ja, Zahnärzte können einen so beleuchten, dass man alles sieht, aber ohne dass sie einen blenden. Und das kriegen die am Theater nicht hin. Also wenn man im Glashaus sitzt, nicht gegen Zahnärztinnen wettern, Heiner Müller! Und nicht nur „der Mutterschoß ist keine Einbahnstraße“. Dein Hetenarsch eben auch nicht. Worauf ich hinaus will: Erfahrungen von Menschen, die keine Lust haben, was aufzuschreiben, können nicht der Bedeutungsverlust des Theaters sein. Deshalb: Lob des Tanzfilms. Immerfort hört man, dass die Welt aufgegeben wurde. Aber wie behielt die Weltlosigkeit ihre Kinder? Durch die dritte Sache? Nein, durch die vierte. Lob der vierten Sache.
Mit: Kathrin Angerer, Josefin Fischer, Lilith Krause, Rosa Lembeck, Thomas Schmauser, Marie Rosa Tietjen, Martin Wuttke Tanz & Choreographie: Lilia Bassenge, Luna Caric, Carlotta Geßler, Greta Geyer, Eleni Murkudis, Anna Marlene Steinberg, Juna Wendisch, Ida Aga Zinnen
Text & Regie: René Pollesch Bühne: Nina von Mechow Kostüme: Tabea Braun Videokonzept: Jan Speckenbach Live-Kamera: Jan Speckenbach, Marlene Blumert Licht: Kevin Sock Dramaturgie: Johanna Kobusch
Mit Wiener Walzer-Klängen wird das Publikum auf den Abend eingestimmt, bevor Pollesch und sein Team mit Parodien auf Hollywood-Glamour und Tanzfilm-Revuen alles auffahren, was Fundus und Technik zu bieten haben. Der Spinning-Room im Zentrum von Nina von Mechows Bühne und die Live-Kamera auf einem Kran sind Dreh- und Angelpunkt eines Abends, der vor hektischer Betriebsamkeit sprüht.
Den titelgebenden Star des Abends, Kathrin Angerer, muss man in diesem Wimmelbild oft erst mühsam suchen: dieses kokette Spiel mit den Erwartungen von Pollesch und seinem kollektiven Co-Intendant*innen-Team zieht sich als Muster durch die Volksbühnen-Auftakt-Monate. Eine amüsante Szene ist, als sich Angerer in die erste Reihe setzt, im Plauderton erzählt, warum sie keine Gewehre dabei hat, und das Treiben auf der Bühne mit dem Rest des Publikums beobachtet.
Um das Spannungsverhältnis zwischen Brechts epischem Theater und Hollywood, um Authentizität und Scripted Shows wie im Wrestling kreisen diese zwei Stunden immer wieder. Die sprichwörtliche Besetzungscouch und die Zweitbesetzung sind ebenfalls Motive, die sich durch diesen Abend ziehen.
Als Zweitbesetzung der Co-Intendantin Angerer spielt sich Rosa Lembeckin den Vordergrund. Zwischen all den Promis wie Martin Wuttke, der ein paar Mal zu oft slapstickhaft ausrutscht, Thomas Schmauser, der von den Münchner Kammerspielen kommt, oder der erfahrenen Pollesch-Spielerin Rosa Marie Tietjen, die in Zürich und Hamburg schon mehrfach mit ihm arbeitete, setzt die Zweitbesetzung die stärksten Akzente dieses Abends.
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Gekreuzigte Wrestler - oder so was in der Richtung
3 Jahre her.
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Kritik
''Der Wuttke (den ich neulich in 'nem superschrägen Film Maria Anna Westholzers als krebskranke Hauptfigur Ulrich Kainer im TV verfolgte) hatte ein paar Monologe mehr als Angerer, von denen einer beispielsweise, ziemlich zu Beginn des nervtötenden Zweistünders, das Thema Hollywood im Jahre 1938 abhandelte, auch zu Jesus Christus, der am Kreuze blutete, oder zu der Sport- oder Kultursportart des Wrestlings war dann dies & das erfahrbar, und er legte hochgeniale Ausrutschnummern aufs Parkett... Ja und an sich sind Angerer & Wuttke, und egal was sie für Texte sprechen oder spielen würden, sowieso sehens- und hörenswert, immer und immerdar; aber das wissen sie!!
Der Guckkasten im Bühnenfass von Nina von Mechow war genial gedacht und auch gemacht. Neben dem Starpaar schauspielerten zusätzlich noch diese Leute mit: Josefin Fischer, Lilith Krause, Rosa Lembeck und Marie Rosa Tietjen; auch Souffleuse Leonie Jenning war angezeigt. Und Amateurtanz gab es mit neun engagierten jungen Frauen. Quälend lustig alles das, im Ganzen freilich: Wirr und flach.'' schreibt Andre Sokolowski am 30. September 2021 auf KULTURA-EXTRA