Kritik
Es ist die Stunde der Heimkehrer am Rosa Luxemburg-Platz. René Pollesch hat die Intendanz übernommen und viele bekannte Namen aus der Castorf-Ära wie Kathrin Angerer und Martin Wuttke haben wieder Schlüsselrollen im Ensemble. Sophie Rois erfüllt noch ihren Vertrag am Deutschen Theater Berlin und kommt in der nächsten Spielzeit zurück an ihr Stammhaus. Und auch Jürgen Kuttner wird ab Januar mit seinen monatlichen Video-Schnipsel-Vorträge vom DT Berlin wieder an die Volksbühne zurückkehren.
So viel Kontinuität und so wohlgeordnete Verhältnisse sind beruhigend an einem Abend, der sonst so viel Neues und so wenig Gewissheiten bietet: Die Grünen erobern Direktmandate nicht mehr nur im gallischen Dorf Friedrichshain-Kreuzberg, sondern flächendeckend im Ländle und erstmals auch eines in Bayern. Die Union ist nicht mehr stärkste Kraft. Das kam in der Geschichte bundesrepublikanischer Wahlabende fast so selten vor wie das Kuriosum, dass zur Tagesschau noch nicht feststand, wer ins Kanzleramt einziehen wird.
Olaf Scholz lässt buddha-artig alle aufgeregten Anwürfe und Nachfragen an sich abprallen, Inga Busch spricht die Textbausteine nach und guckt amüsiert-neugierig in die Reenactment-Runde, die vor allem drei Spieler*innen dominieren: Mit ausladenden Bewegungen unterstreicht die Armin Laschet-Puppe die Ausführungen ihres Alter egos, der trotz herber Verluste die Kanzlerschaft beansprucht. „In der Elefantenrunde erinnerte Laschet in seiner Trotzigkeit und Realitätsverweigerung an Gerhard Schröder im Jahr 2005“,
konstatierte Nico Fried in der Süddeutschen Zeitung. Ähnlich aufgedreht wie die Laschet-Puppe war die von Suse Wächter geführte Annalena Baerbock-Puppe: Sie schmiegte sich an Inga Busch/Olaf Scholz und betonte bei jeder Gelegenheit, dass sie nun GEMEINSAM mit dem ROBERT handeln werde: die einstige Überfliegerin muss sich demonstrativ unterhaken.
Von ganz links außen polterte die Alice Weidel-Puppe dazwischen. Weidels nachgebellte Milchmädchen-Rechnung, dass die Stimmen der „Basis“ und der Freien Wähler auf ihr schwaches Ergebnis draufgerechnet werden müssten, war ein Moment sehr eigenwilliger Interpretation der Realität und Komik aus dem Parallel-Universum:
„Das ist so lustig, dass es wehtut. Vielleicht auch andersrum“, fasste Cornelius Pollmer in seiner TV-Kritik zusammen.
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