Kritik
Es ist ein geschickt gemachtes Stück, dieses “The Who and the What” vom 1970 in New York geborenen Ayad Akhtar, Sohn pakistanischer Einwanderer, Pulitzerpreisträger und furchtloser Aufbereiter eines ebenso anspruchsvollen wie höchst explosiven Glaubenskonflikts für die Möglichkeiten einer kleinen Bühne. Die deutsche Erstaufführung im Hamburger Schauspielhaus ist gerade mal ein Jahr her. Die behutsame Dialogregie von Bettina Rehm arbeitet nun bei den Berliner Vaganten sowohl die locker-amüsanten Partien wie die konfliktgeladenen Dispute instinktsicher heraus.Die dramaturgische Begleitung übernahm diesmal Valeska Graffé. Am Schluss bleibt bei aller Dramatik anstelle eines Trümmerhaufens sogar eine weise, versöhnliche Pointe.
Die Ausstattung von Lars Georg Vogel kommt mit sparsamsten Mitteln aus. Auf der obersten Stufe einer Treppe steht der Drehsessel des alles beherrschenden Vaters Afzal (Jürgen Haug). Davor gruppieren sich in verändernden Positionen mehrere Schemel. Die Szene wird aus dem Hintergrund von Leuchtflächen in wechselnder Farbe erhellt und auf beiden Seiten durch eine Papierfläche begrenzt, die mit Fotos und Notizzetteln bedeckt ist.
Vater Afzal ist das Haupt einer konservativen muslimischen Familie. Als Inhaber eines florierenden Taxiunternehmens im amerikanischen Atlanta ist er frei von materiellen Sorgen und kümmert sich nach dem Tode seiner Frau mit Hingabe um das Leben seiner beiden Töchter, die er verheiraten möchte. Was er nicht weiss: Tochter Zarina (Natalie Mukherjee) schreibt an einem Roman über das Leben des Propheten Mohammed. Darin schildert sie ihn weniger als göttlich inspirierten Asketen. Vielmehr ist Mohammed bei ihr ein glühend liebender Mensch, der seiner inneren Stimme folgt - ein Sakrileg erster Ordnung und in strenggläubiger Umgebung ein todeswürdiges Verbrechen. Ihre Schwester Mahwish (Sabrina Amali), gleichfalls kein Kind von Traurigkeit, wird gleichwohl in das Geheimnis des Mohammed-Romans zunächst nicht eingeweiht.
Vater Afzal hat ein Porträt von Zarina ins Internet gestellt, und daraufhin spricht der junge Eli (Björn Bonn) bei der Familie vor, wo sich zunächst Vater Afzal auf ihn stürzt, um ihm auf den Zahn zu fühlen. Eli ist Konvertit und jetzt Imam einer muslimischen Gemeinde, aber er liebt Zarina und hat weniger patriarchalische Einstellungen als ihr Vater. Aber die Zeitbombe explodiert: Afzal findet das Manuskript von Zarinas Roman in der Aktentasche von Eli und liest mit wachsender Empörung, welches Bild seine Tochter vom geheiligten Propheten zeichnet. Er verstößt seine Tochter, die mit Eli in eine andere Stadt zieht.
Bei den Schauspielern ist die Darstellung der zugespitzten Konflikte in guten Händen. Jürgen Haug ist überzeugend der erzkonservative Muslim, seine beiden Töchter folgen ihm zwar gehorsam, haben aber sehr viel weltläufigere Ansichten. Beide füllen ihre Rollen mit Temperament und der Offenherzigkeit der Jugend aus. Björn Bonn als Eli ist in erster Linie der nette junge Mann, dem man die Liebe zu seiner Zarina durchaus abnimmt.
Lebhafter Premierenbeifall für eine gelungene Aufführung, die ein komplexes Thema unterhaltsam offeriert.
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