Am Anfang stand ein erfolgreicher Spielfilm: „Zeit der Kannibalen“ von Johannes Naber wurde auf der 64. Biennale 2014 in Berlin uraufgeführt und bekam beim Deutschen Filmpreis 2015 die Auszeichnung für das beste Drehbuch und eine Lola in Bronze. Das Drehbuch von Stefan Weigl hat Johannes Naber dann für die Bühne bearbeitet. Diese Version hatte jetzt in der Regie von Bettina Rehm an der Vaganten Bühne Berlin ihre Premiere.
Die Story ist eine punktuell recht bissige Satire auf das kapitalistische Wirtschaftssystem und die globalisierte Jagd nach dem materiellen Vorteil. Es gibt flott formulierte, streckenweise ausgesprochen geschliffene Dialoge, und wer die Verhältnisse in Wirtschaftsunternehmen aus eigener Anschauung kennt, dem werden manche Situationen geradezu vertraut vorkommen.
Die Szene hat das stets gleiche Ambiente anonymisierter Zimmer internationaler Hotelketten, und da sich diese Behausungen überall in der Welt gleichen, kann man Ortswechsel auch ohne wesentliche Abwandlungen der Szene suggerieren. Dies ist der Lebensraum von Frank Öllers (Johann Fohl) und Kai Niederländer (Björn Bonn), zwei ebenso versierten wie erfolgreichen Wirtschaftsberatern, die rund um den Globus agieren, um die Geldanlagen ihrer Kunden wachsen und gedeihen zu lassen. Es sind zwei abgebrühte Strippenzieher, die gänzlich auf die Tricks und Schachzüge ihrer Aktivitäten konzentriert sind und alles Übrige in der Außenwelt nur durch ihre professionalisierte Brille wahrnehmen. Im Regelbetrieb läuft diese lukrative Routine ganz ohne überflüssige Geräusche ab, und das nächste Flugzeug wartet immer schon. Längst ist den beiden zur Gewohnheit geworden, welche Dienstleistungen sie von ihren Hotels erwarten, wie sie mit dem Personal umgehen und wie sie das Aus- und Einpacken ihrer Koffer immer weiter optimieren können. Natürlich haben hier naßforsche Macho-Sprüche und die üblichen Prahlereien sieggewohnter, omnipotenter Männlichkeit ziemlich ungehemmten Auslauf. Der Hotelpage (Amer Kassab) und das sanfte Zimmermädchen (Senita Huskič) sind hier nur nahezu stumme Diener und gegen ein Trinkgeld zu allen denkbaren Gefälligkeiten bereit.
Bis dann im Auftrag der zentralen „Company“ eine Frau namens Bianca März (Hannah von Peinen) zu dem Beraterduo stößt, die allerdings in Rollenverhalten und Habitus aus dem gleichen Holz geschnitzt ist wie die beiden Profitjongleure. Anfangs ist ihre Aufgabe nicht klar zu erkennen, und eine Weile hält sich auch der Verdacht, sie könnte von der perfiden Zentrale ausgesandt sein, das Tun und Treiben der beiden männlichen Berater zu beobachten und darüber nach oben zu berichten. Der Eiertanz der Mutmaßungen wird aber bald von einer viel dringlicheren Sorge abgelöst: die allmächtige „Company“ steht zum Verkauf. Über den Videoschirm meldet sich der neue Inhaber John Schernikau (Axel Strothmann) und kündigt dem gespannt lauschenden Trio an, sie bekämen jetzt neue Verträge und würden zu Teilhabern ernannt. Die überschäumende Freude über diese Beförderung hält allerdings nicht lange an. Auf einmal sind alle Kreditkarten gesperrt, und man kann noch nicht mal mehr einen Flug an den nächsten Einsatzort buchen. Der ganze Karrieresprung war eine Falle, und die einst so mächtige Firma ist in Wahrheit pleite. Zu allem Überfluss dröhnen von draussen die Maschinengewehrsalven eines Bürgerkriegskonflikts herein, und den auf einmal mattgesetzten Akteuren bleibt nur das bange Abwarten im Hotelzimmer, ihre Business-Metallkoffer als notdürftigen Schutz über die Köpfe gebreitet.
Die knappe, an wohlformulierten Seitenhieben reiche Handlung ist im doppelten Wortsinn ein Kammerspiel, das gut auf die kleine Bühne des Theaters passt und keine großen Szenenwechsel erfordert. Es wird präzise gesprochen und mit vollem Körpereinsatz gespielt, und so kommen die skurrilen Facetten dieses Berufslebens bestens zur Geltung. Das Publikum weiss die Globalisierungsrevue durchaus zu schätzen und spendet am Schluss ausgiebigen, anerkennenden Applaus.
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