Kritik
Die Vagantenbühne wendet sich bekanntermaßen sowohl zeitgenössischen als auch historischen Stoffen zu, gerade erst Dostojewskijs "Der Doppelgänger". Allen gemeinsam sind ihnen immer die Bezüge zu unserer heutigen Gesellschaft.
Diese sind auch ganz unbedingt mit "Madame Köpenick" gegeben, einer höchst temperamentvollen Komödie von Guy Helmiger, die just Premiere hatte. Dessen luxemburgische Wurzeln haben ihn wohl dazu bewogen, sich die späten Lebensjahre von Wilhelm Voigt, besser bekannt als der Hauptmann von Köpenick, die er bei und mit der jüngeren luxemburgischen Witwe Émilie Blum-Bernier verbracht hat, näher anzuschauen. Was sich gelohnt hat, denn herausgekommen ist eine vielschichtige Komödie, die uns das Zusammenleben der beiden Protagonisten in Blums Luxemburger Wohnung und die damalige Zeit höchstkomisch näherbringen.
Da passte es dann auch, dass sich der Todestag Wilhelm Voigts im Januar diesen Jahres zum 100. Mal jährte, weshalb das Stück am Kasemattentheater in Luxemburg auch schon zur Uraufführung kam, die Inszenierung ist mit der Vagantenbühne koproduziert.
Wie der Titel andeutet, spielt Émilie Blum, bei der sich Wilhelm Voigt bei seiner Durchreise einmietet, dann aber bleibt und seine letzten 13 Lebensjahre von 1909 bis 1922 mit ihr verbringt, eine tragende Rolle. Was nicht heißt, dass die beiden in froher Eintracht leben, sie haben durchaus unterschiedliche Ansichten über das Leben und schenken sich nichts, Der in alten Strukturen verfestigte Voigt hat es nicht leicht mit seiner ungewöhnlich selbstbewussten temperamentvollen Vermieterin, die zunehmend mehr für ihn wird. Ihre geistreichen Schlagabtausche auf Punkt und Augenhöhe erinnern oft genug an eine Screwball-Komödie, was sich neckt, das...
Und das Paar kämpft sich durch bewegte Zeiten, der 1. Weltkrieg wird mittels Videoinstallationen angedeutet, erste feministische Bewegungen kommen auf, Angst vor Kometen, Erfindungen gegen eben diese und die spanische Grippe, alles gar nicht so weit weg von unserer heutigen Welt, es wird auch viel aus Voigts Leben erzählt.
Mit den beiden Schauspielern Brigitte Urhausen und Michael Schrodt konnten zwei hervorragende Darsteller gewonnen werden, die beiden funktionieren sehr gut zusammen, alles Spiel, jeder Satz, jede Bewegung sind perfekt getimt. Kay Wuschek hat Regie geführt, seine Schauspieler zu (akrobatischen) Höchstleistungen herausgefordert, es ist viel los auf der Bühne. Und als ob die Geschichte allein nicht schon ausreichend Esprit gehabt hätte, steigen die beiden Protagonisten regelmäßig aus dem Stück aus und setzen sich mit ihrer "privaten" Beziehung auch außerhalb ihrer "Probe" auseinander, auch mit ihrem Regisseur, es wird ein weiterer komischer Schauplatz aufgemacht, eine schöne Ergänzung für diese gelungene Inszenierung.
Eine großartige Produktion, auch das Publikum ist begeistert und klatscht und klatscht und klatscht...