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Zugvögel

Bewertung und Kritik zu

ZUGVÖGEL
von Cillian Mirau
Regie: Ralf Blank 
Premiere: 13. August 2020 
Theater shortvivant in der Malzfabrik Berlin 

Zum Inhalt: Nikolas zurückgewandt, Jonathan voranstrebend. Das Mariechen verloren. Die beiden treffen sich wieder in zunehmend dichter und wechselnder Nachbarschaft. Johanna weckt in ihnen unerträgliche Erinnerungen und begehrt auch Leopold, der sich seiner naturverbundenen Heimat widmet und seine Verbindung verschweigt. Sein Vertrauter Tomasz löst sich ab. Tizian will nicht länger eingesperrt sein. Cedrik leidet unter dem Großstadtlärm. Kilian vermietet und hat die Fäden in der Hand. Als er offenbart, dass ein alle verbindender Zirkus an diesem Ort stand, eröffnet sich der dichte Raum.

Mit Maximilian Wenning, Jonas Fässler, Armin Schiller, Tamara Lieber, Luca Maurizio Wefes, Hubert Chojniak, u.a.

Regie: Ralf Blank
Beleuchtungs-/Bühnenkonzept: Jakob Wilde

3.5 von 5 Sterne
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Verlorene Mietshaus-Gestalten
4 Jahre her.
Kritik
„Nicht küssen!“, ermahnen sich die Spieler*innen des Theater Shortvivant immer wieder gegenseitig. Vorschriftsmäßig agieren sie mit großem Abstand. Wie befreiend wirken in diesen Corona-Zeiten die Szenen, in denen Tizian (Luca Maurizio Wefes) beherzt Anlauf nimmt und auf Nikolaus (Jonas Fässler) zuspringt, der ihn zärtlich wie ein Kind im Arm hält und an seine Brust drückt! In gewöhnlichen Zeiten würden diese Aktionen gar nicht weiter auffallen, aber im Ausnahmezustand des Jahres 2020 werden sie zu kostbaren Momenten. Möglich war diese mehrfach wiederholte Szene nur, weil die beiden Schauspieler in einem Haushalt leben. Während der restlichen zwei Stunden wirken die Figuren im Saal der Malzfabrik (in der Nähe des Bahnhofs Südkreuz) umso verlorener und einsamer. Als Tragikomödie über die Gentrifizierung wurde „Zugvögel“ von Cillian Mirau angekündigt. Durch den Corona-bedingten Abstand wirken die zehn Szenen wie ein Panoptikum skurriler Gestalten, die in die merkwürdige Welt eines Mietshauses geworfen sind und aneinander vorbeireden. Weiterlesen
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0 von 14 Person(en) gefiel diese Kritik
KABUFFE WO FRÜHER EIN ZIRKUS STAND
4 Jahre her.
Kritik
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„Was soll ich denn machen? Sag es mir doch“ beklagt sich Kilian, der seine Träume längst abgelegt hat, bei Johanna, einer ehemalige Hochseilartistin eines von Neubauten verdrängten und in die Jahre gekommenen Zirkus, die frisch in einer Wohngemeinschaft eingezogen ist und neugierig umherpickt. Um seine Schulden zu tilgen vermietet der fast kontaktscheue und sich abgrenzende Kilian hier möblierte Zimmer, wie er behauptet, tatsächlich sind diese leer und durchlässig. Olaf Meier spielt diesen wirkungsvoll scheinheilig, selbstironisch und zurückhaltend anmaßend. Tamara Lieber stellt die Johanna mal als anzügliche Gans und mal als ungeduldigen Süßschnabel dar. Sie trifft auf Tomasz, wortbetont gezeigt von Hubert Chojniak, einen Zuhälter mit gelber Mangahaube, der ihr die große Welt verspricht oder auf Leopold (Armin Schiller), dessen Körper zur Last wird und den Boden ständig unter den Füssen verliert. „Zugvögel“ von Mirau dreht sich nicht nur um diese „schrägen Vögel“, die immer kleiner werdende „Nester“ der Großstadt aufgeben müssen und sich nach Heimat oder Zuflucht sehnen. Da bleibt für Beziehungen und ausführliche Vorstellung keine Zeit. Schnelllebig, hellhörig und kontaktlos. Nicht nur coronabedingt aktuell, abstandsbewusst und temporeich, trotz vieler raumnehmender Monologe inszeniert. Das Werk greift auch die Beziehung von Nikolas und Jonathan auf. Beide kämpfen miteinander und um Johanna oder um Marie, die verlorene und einseitige Liebe. Aus Verlustangst ist die Verschwundene längst ein Teil von Nikolas geworden und wirft ihn in die gemeinsame Zirkusvergangenheit zurück. Maximilian Wenning belebt den Jonathan als einen desorientierten multilingualen Schwärmer, der nach Erlösung sucht und schließlich den Inhalt Mariechens Brief enttäuscht verliest. Es überrascht, wer der Vater eines unbekannten Kindes ist, das nicht in eintöniger und kalter Manege, sondern im warmen Süden aufwachsen sollte. Jonas Fässler zeigt den Nikolas sowohl melancholisch als auch mit Pathos und ironisch. Sprung gewaltig spielt Luca Wefes den Tizian. „So ein Kind will ich nicht haben“, äußert Johanna, die zugleich entzückt ist. Das gekonnt bewegliche Spiel von Wefes macht Spaß, nicht nur wenn er seinen Ball beherrscht, und schafft berührende Nähe bei durchgehaltener und aktuell notwendiger Ferne. Was wäre da ohne coronabedingte Beschränkungen möglich? weiterlesen

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8 von 8 Person(en) gefiel diese Kritik

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