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Puccinis letzte Oper nach dem Theaterstück von Carlo Gozzi wurde nach dem Tode des Komponisten von Franco Alfano anhand von Aufzeichnungen Puccinis vollendet und erst 1926 unter der Leitung von Arturo Toscanini an der Mailänder Scala uraufgeführt. Die Berliner Neuinszenierung von Philipp Stölzl leitet Zubin Mehta am Pult der Staatskapelle Berlin. Die Aufzeichnung wird über Arte concert verbreitet.
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Die Oper "Turandot" hat der Opernszene gleich eine ganze Reihe von Paraderollen beschert. Allen voran die grausame Prinzessin Turandot selbst, eine beherrschende Bühnenerscheinung für dramatische Soprane. Gut in Erinnerung Gladys Kuchta an der Deutschen Oper Berlin, als Gast auch einmal Birgit Nilsson, unvergeßlich mit James King als Prinz Calaf. Ebenso im Glanz eines unvergänglichen Starruhms: Luciano Pavarotti mit seiner sieghaften Arie "Nessun dorma" - "Keiner schlafe": eine Arie, die regelmäßig überbordenden Publikumsjubel auszulösen imstande war.
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Entsprechend hoch sind die Erwartungen, die an die Neuinszenierung der Berliner Staatsoper geknüpft werden. Regisseur Philipp Stölzl löst die Aufgabe der szenischen Rahmengestaltung durch Überhöhung ins Symbolische. Die Bühne wird im Hintergrund nahezu gänzlich von einer über Schnüre dirigierten, überdimensionalen Puppe eingenommen, die sowohl die Allmacht der mörderischen Prinzessin wie auch die mechanistische Starre einer Diktatur fernöstlicher Prägung vergegenwärtigt.
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Eingangs huldigt das Volk dieser übermächtigen Symbolfigur. Ein Ausrufer rezitiert die Bedingungen, die für Bewerber um die Hand der Prinzessin Turandot gelten: drei Rätsel sind zu lösen, und wer versagt, wird dem Henker ausgeliefert. Prinz Calaf (Yusif Eyvazov) findet in der Volksmenge seinen verschollen geglaubten Vater Timur (René Pape) wieder, der von Liù ( Aida Garifullina) geleitet wird. Pantomimisch unterstützte Chorszene bis zum Auftritt des Henkers Put-in-Pao, der sein Messer wetzt. Ein gescheiterter Bewerber wird hingerichtet, dem Volk zum Trotz, das Gnade fordert.
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Prinz Calaf ist vom Anblick der Prinzessin fasziniert und bewirbt sich als Rätsellöser. Die drei Minister Ping (Gyula Orendt), Pang (Andrés Moreno Garcia) und Pong (Siyabonga Maqungo) versuchen vergeblich, den verliebten Prinzen von der Bewerbung abzuhalten. Auch die warmherzige Einrede von Liù vermag nichts auszurichten. Calaf ruft nach Turandot und bewirbt sich.
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Die drei Commedia dell'Arte - Minister Ping, Pang und Pong haben eine kurzweilige Stunde der Geschichtsinterpretation. Sie schreiten über den Berg von Schädeln der gescheiterten Bewerber und träumen von einer schöneren Welt.
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Den greisen Kaiser Altoum singt Siegfried Jerusalem. Calaf beteuert, sich der Prüfung unterziehen zu wollen. Turandot (Elena Pankratova) tritt auf und stellt ihre Rätselfragen, nicht ohne zuvor einen Exkurs in die Geschichte des chinesischen Reiches zu unternehmen, der erhellt, was der psychologische Hintergrund ihrer grausamen Mordpraxis ist: niemand soll sie je besitzen dürfen.
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Das erste Rätsel: Calaf löst es als "Die Hoffnung". Nun das zweite: auch hier hat Calaf die richtige Deutung: "Das Blut". Zweimal richtig, aber was nun ? Ihr letzter Trumpf ist Nummer drei, und alle bangen um Calaf. Es fällt ihm nicht leicht, aber er findet das richtige Lösungswort: "Turandot". Es ist geschafft, die Prinzessinpuppe fällt auseinander, und nun muss wohl der Sieg der Liebe verkündet werden. Die gedemütigte Prinzessin bittet Vater Altoum indes um einen Aufschub. Calaf seinerseits stellt nun ein Rätsel: Wie ist sein Name ? Bevor der Tag anbricht, muss die Frage beantwortet sein.
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Eingehüllt in eine Wärmedecke singt Calaf seine berühmte Arie "Keiner schlafe". "Im Morgengrauen werde ich siegen": mit überraschendem Glanz und strahlender Kraft präsentiert Eyvazov diesen klassischen Dauerbrenner. Das Volk versucht, den unbekannten Namensträger mit tausend Tricks zu umgarnen, und die drei Minister tun das Ihrige, um ihn unter Druck zu setzen. Timur und Liù werden herbeigeschleppt und erpreßt. Liù bleibt standhaft und begeht Selbstmord, ohne den Namen dessen zu verraten, den sie liebt.
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Den Schluß der Oper liefert die ergänzende Alfano-Fassung. Turandot und der unbekannte Prinz bewegen sich aufeinander zu. Turandot will sich vor Schändung bewahren und nimmt einen Trank zu sich, der sich aber eher als Liebestrank erweist. Der Prinz nennt aus freien Stücken seinen Namen, und Turandot verkündet dem Volk, sein Name sei "Liebe". Alle atmen auf, die gnadenlose Mordserie hat ein Ende.
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Der Berliner Staatsoper ist mit dieser Inszenierung ein Volltreffer gelungen. Das Sängerensemble ist in allen Partien mit hervorragenden und leistungsfähigen Stimmen besetzt, und Altmeister Zubin Metha am Pult der Staatskapelle ist ein Garant für eine wirkungsvolle Präsentation der Puccini-Partitur. Insgesamt ein gelungener Opernabend, der den ganzen Reiz dieser letzten Puccini-Oper ausschöpft.
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Diese Aufzeichnung ist bis zum 13.01. 2023 auf Arte Concert zu verfolgen.
[color=#500050]Horst Rödiger
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