Wolfgang Amadeus Mozarts Opera Buffa mit dem Libretto von Lorenzo da Ponte nach Beaumarchais, uraufgeführt in Wien am 1. Mai 1786. Die Neuinszenierung von Vincent Huguet hatte ihre Premiere im Livestream aus der Staatsoper Berlin am 1. April 2021. Am Pult der Staatskapelle Berlin stand Daniel Barenboim. Dies war die erste Aufführung aus dem neuen Mozart-da Ponte-Zyklus, der in dieser Saison noch mit "Cosi fan tutte" und "Don Giovanni" fortgeführt wird.
Ein turbulentes Ränkespiel, gleichermassen von hohem szenischen wie musikalischen Reiz. Sänger und Musiker müssen infolge der Pandemie einmal mehr auf unmittelbare Reaktionen eines Publikums verzichten, was die Atmosphäre zunächst tendenziell etwas abkühlt.
Figaro (Riccardo Fassi) hat das erste Wort. Er freut sich zusammen mit seiner Braut Susanna ( Nadine Sierra), der Zofe der Gräfin, an häuslichen Turnübungen in der Wohnküche. Die Gräfin (Elsa Dreisig) meldet sich am Telefon. Figaro fordert inmitten einer improvisierten Kochshow den Grafen imaginativ zum Tänzchen auf.
Doktor Bartolo (Maurizio Muraro) mit Marcellina ( Katharina Kammerloher). Susanna, unbeeindruckt: „Geh, alte Frau.“ Cherubino, der alle Frauen liebt ( Emily d’Angelo) gibt seiner Seelenverwirrung Ausdruck. Der Graf Almaviva (Gyula Orendt) tritt auf und macht Susanna Avancen. Cherubino versteckt sich. Musiklehrer Don Basilio (Stephan Rügamer) taucht auf. Graf contra Basilio. Der Graf findet den versteckten Cherubino und verdonnert ihn zum Militärdienst.
Figaro bittet inmitten einer Juniorengruppe um die Heiratserlaubnis. Ein gewaltiger Brautschleier symbolisiert die intendierte Aktion. Der Graf will Zeit gewinnen. Zunächst wird nur Cherubino mit Aplomb und Begleitmusik verabschiedet, Figaro agiert als Stimmführer. Schön artikulierte Stimme. Aktschluss.
Zweiter Akt: Die Gräfin beklagt ihr Los, denn der Gatte liebt sie nicht mehr. Frustriert willigt sie ein, Cherubino in Mädchenkleider zu stecken, wie Figaro und Susanna das vorschlagen, damit er als vermeintliche Susanna den Grafen der Untreue überführe. Mitten in die Umkleideszene schneit der Graf herein, und der immer noch nicht abgereiste Cherubino wird in der Garderobe der Gräfin versteckt. Aber der argwöhnische Graf fordert Aufklärung. Während er mit der Gräfin kurz den Raum verlässt, nimmt Susanna den Platz von Cherubino ein, der seinerseits durchs offene Fenster entweicht. Nun muss sich der Graf entschuldigen. Er vermutet in Figaro den Urheber der ganzen Verwirrung und verweigert seine Zustimmung zu dessen Heirat, ehe nicht die Angelegenheit mit einem früheren Heiratsversprechen an Marcellina geklärt ist. Mitreissender Aktschluss.
Zur Pause lässt sich feststellen, dass sowohl das Ambiente der Räume wie der Habitus der Personen konsequent entrümpelt wurden. Vom 18. Jahrhundert ist optisch nichts übrig. Einzige Reminiszenz sind die seinerzeitigen gesellschaftlichen Verhältnisse mit der Allmacht des Grafen.
Dritter Akt: Das Geflecht der Intrigen wird weiter gesponnen. Susanna schlägt dem Grafen zum Schein ein nächtliches Treffen im Garten vor. Der Richter Don Curzio (Siegfried Jerusalem) hat im Prozess Marcelline recht gegeben: Figaro soll zahlen oder sie heiraten. Der bekennt sich daraufhin als Findelkind, und Marzelline sowie Bartolo stellen sich als Figaros Eltern heraus. Nun wollen beide Paare eine Doppelhochzeit feiern.
Gräfin und Zofe Susanna schreiben einen Brief, der den Grafen in den nächtlichen Park locken soll, wo ihn Susanna erwarten würde, die aber in Wahrheit die Gräfin in den Kleidern ihrer Zofe ist.
Vierter Akt: Barbarina (Liubov Medvedeva) berichtet Figaro von dem geplanten Rendezvous im Garten, was dessen eifersüchtigen Argwohn steigert. Susanna und die Gräfin tauschen ihre Kleider. Die vermeintliche Susanna ist nun die Gräfin. Der Graf umgarnt nichtsahnend seine eigene Ehefrau. Figaro erkennt seine Susanna im Gewand der Gräfin. Alle verzeihen zum guten Ende einander und kehren zum Hochzeitsfest zurück.
Maestro Daniel Barenboim entlockt seiner Staatskapelle einen federnden, klangschönen Mozart-Sound, in den die durchgehend exzellent disponierten Stimmen feinfühlig eingebettet werden. Hervorzuheben vielleicht die komödiantisch besonders agile Susanna von Nadine Sierra und der klangvolle, jugendliche Bass des spielfreudigen Figaro von Riccardo Fassi sowie der überaus flexible Bariton von Gyula Orendt. Elsa Dreisig hat mit ihrer zweiten grossen Arie im 3. Akt einen besonders bewegenden, stimmlich sehr ausdrucksstarken Moment.
Insgesamt eine durchaus sehenswerte, musikalisch absolut überzeugende Aufführung, in der lediglich die rigorose optische Aktualisierung für eine gewisse Ernüchterung sorgt. Leider ist es dem Rezensenten trotz ehrlichen Bemühens nicht gelungen, unterwegs deutschsprachige Untertitel einzustellen, deren Angebot in konkurrierenden Berliner Operninstituten inzwischen eine Selbstverständlichkeit ist.
Horst Rödiger
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