Zum Inhalt: Von den Grenzen der Sprache, vielmehr der Sprachverwirrung, handelt Jörg Widmanns »Babylon«. Der Komponist stellt hierin die multikulturelle Gesellschaft der vorantiken Hochkultur-Metropole ins Zentrum seiner Oper. Zwischen Chaos und Ordnung bewegen sich nicht nur die Babylonier, sondern auch der jüdische Tammu, der sich der babylonischen Priesterin des Krieges und der freien Liebe, Inanna, zuwendet und seine einstige Getreue, die Seele, verlässt. Als zur Besänftigung der Götter, welche die Menschen Babylons einst mit der Sintflut straften, ein Menschenopfer dargebracht werden soll, fällt die Wahl des Priesterkönigs auf Tammu. Nach der Hinrichtung Tammus beschließt Inanna, in die Unterwelt hinabzusteigen, um den dort herrschenden Tod zu überzeugen, ihren Geliebten in die Welt der Lebenden zurückkehren zu lassen. Schließlich wird ein neuer Vertrag zwischen den Göttern und den Menschen geschlossen und die Ordnung – zumindest vorläufig – wiederhergestellt.
Widmanns Partitur bildet ein klanglich-opulentes Kaleidoskop der heterogenen Gesellschaft Babylons, eine faszinierende Collage, in der unterschiedlichste Klangfarben, -Szenen und -Strukturen aufeinanderprallen. Hierbei werden zahlreiche Bezüge zur Musikgeschichte und zu bekannten Sujets hergestellt, u. a. zu Mozarts »Die Zauberflöte«. Eine Oper in Cinemascope, die nach ihrer Münchener Uraufführung 2012 nun in einer überarbeiteten Fassung auf die Bühne kommt.
Musikalische Leitung: Christopher Ward Inszenierung: Andreas Kriegenburg Bühnenbild: Harald Thor Kostüme: Tanja Hofmann Elektronische Klangkunst: Gilbert Nouno Licht: Olaf Freese Video: Robert Pflanz Choreographie: Zenta Haerter Einstudierung Chor: Martin Wright, Anna Milukova Dramaturgie: Roman Reeger
Premierenkritik Wir von der Babylonischen Gemeinde
5 Jahre her.
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Kritik
''Ein schier blauschlammfeuchtes Highlight war für mich die große Euphrat-Arie (Stichwort Sintflut und die überschwemmte Zeit danach), mit der sich Mezzosopranistin Marina Prudenskaya den allergrößten Sympathiestau der ihr lauschenden und mitfühlenden (nicht nur Babylonischen) Gemeinde sicher sein konnte! Wie überhaupt - von der Besetzung her - die andern beiden Lulu-gleichen Frauen (Mojca Erdmann als Die Seele und Susanne Elmark als Inanna) selbstverständlich auch aufs Abgöttischste überzeugten und gefielen!!
Otto Katzameier (als Der Tod) und Andrew Watts (als Der Skorpionmensch) sowie Charles Workman (als Tammu) schienen ebenso nicht fehlbesetzt. Andreas Kriegenburg (Regie) "übersetzte" die an sich nicht nacherzählbare/n Geschichte/n in die auf und ab fahrende Trümmerhaushydraulik Harald Thors; und Tanja Hofmann ließ die tollsten Kleider und Klamotten, die man sich nur denken kann, für alle auftretenden Hundertschaften schneidern.
Kurzfazit: Weltuntergangsszenarien hatten/haben immer wieder Konjunktur, und eigentlich sollte man es allmählich leid sein, sich mit diesem depressiven Kram bis Ende seines Lebens zu befassen; irgendwie ist mir zur Abwechslung mal wieder nach dem Rosenkavalier zumute!'' schreibt Andre Sokolowski am 10. März 2019 auf KULTURA-EXTRA
'' Bei der Erstaufführung wurde das "unkomponierbare" Libretto moniert. Nun, kein Text ist unvertonbar. Das Problem ist der unglaublich prätentiöse Gehalt, zu dem sich Autor Peter Sloterdijk versteht (der thematisch offenbar gerne ein neuer Hans Blumenberg werden möchte ... Dream on!). Es geht hier nicht um den Turmbau zu Babel; sondern um die Zeit nach der Sintflut, als sich die Menschen verwirrt fragen, wie sie die Natur durch ein Menschenopfer besänftigen können. Der jüdische Tammu, das erkorene Opfer, wird am Ende von seiner Geliebten aus der Unterwelt zurückgeholt.
Die Staatskapelle leistet – auch ohne Daniel Barenboim! – Vortreffliches (Dirigent: Christopher Ward). Auch die Sänger sind zumeist sehr gut, allen voran Susanne Elmark: eine in Fest-Porzellan ausgeführte Kampf-Soubrette. Erstaunlich, dass unter den vielen teuren Gästen mal wieder Ensemblemitglied Marina Prudenskaya (als Euphrat) die mit Abstand Großartigste ist. Regisseur Andreas Kriegenburg frönt ausgiebig seiner Lust an der mehrgeschossigen Vertikale. Das Bühnenbild ist sechsstöckig und funktioniert dank der sehr guten Hubpodien des Hauses.
Hörenswert! Und zwar für Menschen, die sich überzeugen wollen, wie ein undogmatischer Komponist den verkanteten Tanker der Neuen Musik wieder flott kriegt. Ich neige zu der Ansicht: Die Musik ist erfrischend. Für das Libretto kann er nichts.'' schreibt Kai Luehrs-Kaiser auf kulturradio.de