Kritik
Was wohl hat das Schlosspark Theater dazu bewogen, zum ersten Mal ein absurdes Stück auf seine Bühne zu bringen? Vielleicht der sechzigste Geburtstag eines der Klassiker des Absurden Theaters, "Der König stirbt", noch dazu vom bekanntesten Autor für eben dieses Genre höchstselbst, Eugène Ionesco. Oder war es einfach die Tatsache, dass Dieter Hallervorden nicht widerstehen konnte, sich in die Rolle des unbeugsamen Königs zu werfen, die ihm auf den Leib geschneidert scheint, dies muss ohne Wenn und Aber zugegeben werden.
Was es auch war, es ist nicht die schlechteste Entscheidung, der Sinnfreiheit der Welt einen theatralen Rahmen zu geben und die darin agierenden orientierungslosen Menschen zum Thema zu machen, vor allem nicht in einer Welt, die aus den Fugen geraten ist, in der die Natur zurückschlägt, das Land zunehmend verwüstet, Gegenwartsbezüge sind wohl eher nicht rein zufällig. Auf der Sonne fällt Schnee und die Milchstraße gerinnt, mittendrin ein König, dessen Palast zerfällt und Reich schrumpft, nichts aber auch gar nichts mehr funktioniert. Umgeben ist er noch von seiner ersten Frau Margarete, die durchgängig grantig und wenig empathisch von Dagmar Biener gespielt wird, seiner zweiten (Herzens-)Frau Maria, die ihn hegt und pflegt, herrlich untröstlich und anhänglich von Annika Martens gemimt. Christiane Zander als Haushälterin Julchen überzeugt in ihrer erst zweiten Theaterrolle unbedingt, berlinert sich recht deftig durch den Abend. Mario Ramos gibt den schrägen Arzt mit Untersuchungen und Maßnahmen, die jeder Sinnhaftigkeit entbehren, mit der für ihn typischen Bühnenpräsenz, Georgios Tsivanolou ist in die Rolle des unerschütterlichen Wächters geschlüpft.
So weit so gut könnten sich in so einer Konstellation viele Geschichten entspinnen, es geht aber um die existenziellste aller Fragen, den Tod. Dieser ist noch dazu angekündigt, am Ende des Stückes wird der König nicht mehr leben. Noch weiß er nichts davon, der Rest im Palast überlegt hin und her, wie man es IHM denn schonend beibringen kann.
Und dann der Auftritt von König Dieter dem Ersten, Hallervorden bringt Glanz auf die Bühne, trotz Pyjamas und Pappkrone, also denkbar unprätentiös. Aber gerade damit verleiht er der Rolle unglaublich viel Witz, aber auch Verletzlichkeit, Sturheit, kindliche Freude und Naivität, wenn es ihn ersteinmal vollkommen unvorbereitet trifft, dass Könige sterblich sind. Bei so viel Vitalität ist kaum zu glauben, dass Hallervorden im Herbst schon seinen 87. Geburtstag feiert.
Philipp Tiedemann hat abermals die Regie übernommen, viele kreative Regieeinfälle dürften auf seine Arbeit mit dem Ensemble zurückzuführen sein. Alexander Martynow hat der Bühne passend zur allgemeinen Stimmungslage eine gewisse Fragilität verschafft, von Pomp und Prunk keine Spur, auch wenn das klapprige Zepter nicht fehlt.
Insgesamt drängt sich der Eindruck auf, dass das Originalstück eine weitreichende Bearbeitung erfahren hat, was nicht nur an den offensichtlichen Bezügen zur Jetztzeit liegt, wenn Hape Kerkelings Bestseller zur Sprache kommen oder auch der BER und Trappatonis zur Berühmtheit gelangtes Zitat. Diese "Ausflüge" hätte die Inszenierung nicht gebraucht, im Gegenteil, sie stören sie unnötigerweise. Alles andere hat diese Fassung sicher positiv aufgefrischt.
Vor der Pause fiel der Spannungsbogen etwas, anschließend nimmt der Abend aber nochmal an Fahrt auf. Am Ende wird der Untergang dann auch optisch eingeläutet, die Bühne bricht halbwegs zusammen, der Nebel tut sein Übriges, wenn König Dieter in's Jenseits driftet.
Das Publikum dankt dem spielfreudigen Ensemble mit langanhaltendem Applaus.