Brecht war mit 21 Jahren noch sehr jung, als er „Die Hochzeit“ schrieb, was wohl die Leichtigkeit dieses Einakters erklärt, verglichen mit den Inhalten späterer Werke.
Uraufgeführt 1926 in Frankfurt hat sich Philipp Tiedemann in Berlin für das Berliner Ensemble des Stoffes angenommen, wo es im Jahr 2000 Premiere hatte und nun als Wiederaufführung im Schlosspark Theater noch einmal Asyl gefunden hat.
Was untertrieben ist, denn es wäre schade gewesen, würde das Stück, vor allem aber Tiedemanns Inszenierung, in der Versenkung verschwunden sein. Insofern war gut, dass Hallervorden mit Peymanns Zustimmung das fast originale Ensemble an sein Haus geholt hat, nur die Braut und ihr Vater sind neu besetzt.
Regie und Bühnenbild bedingen sich in dieser Produktion gegenseitig, denn fast jedes Detail der Aktion eines jeden Schauspielers ist an das Bühnenbild von Etienne Pluss gebunden, das wie eine kleine Schifferklause anmutet mit seinen dunkelbraunen Wandpaneelen, und aus einer langen Tafel besteht, an der die Schauspieler nebeneinander am Tisch aufgereiht [color=#000000]
dem Publikum
entgegen sitzen. Und es ist allem voran die unglaubliche Enge, in der sich die Hochzeitsgesellschaft geradezu aneinander vorbei winden oder übereinander steigen muss, um den Platz zu wechseln oder einfach nur den Raum nach hinten zu verlassen, allein dieser Umstand sorgt immer wieder für Komik, nichts wird dem Zufall überlassen, jede Regung ist sorgfältig inszeniert. Dank der maroden Möbel, vom Bräutigam selbst gezimmert, landen einzelne Gäste zeitweilig auch mal unter dem Tisch, später in der Wandverkleidung, aber bis es dazu kommt, passiert noch einiges.
„Die Kleinbürgerhochzeit“, von Brecht nachträglich in solche umbenannt, wird von ihm als eine Orgie der Hohlheit, der Langeweile, der Öde und der Vereinzelung beschrieben. Und Tiedemann gibt sich den vielen kleinen verbalen Spitzen detailverliebt hin, untermalt sie mit zahlreichen kleinen Aktionen, während der Kabeljau serviert wird, die Sahne mehrfach von links nach rechts und umgekehrt gereicht wird oder man sich gegenseitig zwischen die Beine fasst, während der Brautvater ein um´s andere Mal versucht, die Gäste mit einer mehr oder weniger geschmacklosen Geschichte zu beglücken, es ist fast unmöglich, alles gleichzeitig zu erfassen. Denn es wird auch noch hinter diesem geschlossenen Raum gespielt, von dem eine Treppe nach hinten auf den eigentlichen Bühnenboden führt, ja, die eigentliche Spielfläche ist ungefähr einen Meter hoch gesetzt, sodass das ganze Gebilde, wenn alle synchron ihre Suppe löffeln, auch mal wie eine Hollywoodschaukel wippen kann.
Das Treiben hinter der Bühne ist aber auch immer wieder einen Blick wert, auch wenn man die Darsteller nur bis zu den Oberschenkeln sehen kann, oder vielleicht gerade deshalb? Schließlich kann in diesem Bereich auch so einiges passieren.
Und so, wie die Schauspieler sich aneinander vorbei quetschen, wird auch aneinander vorbei geredet, keiner nimmt wirklich Bezug auf das Gesagte des anderen bzw. geht man auch mal härter miteinander in´s Gericht. Das Ensemble, als schrille Karikaturen inszeniert, spielt diese sich aneinanderreihenden Absurditäten durchgehend mit viel Verve oder auch mal einem eingefrorenen Lächeln, Gründe genug gibt es, schließlich wird zunehmend der gute Ruf des Brautpaares zerstört, der schönste Tag des Lebens endet in einer Farce.
Nach der Pause eskaliert das Ganze, die Gäste verlassen das sinkende Schiff und sinnbildlich für die nicht vorhandenen Beziehungen geht dann auch das Bühnenbild zunehmend zu Bruch, das Mobiliar nebst Wänden löst sich fast vollends auf, es herrscht absolute Anarchie. Und am Ende verhallen die Worte des Hochzeitspaares nur noch … Wer sich schräg unterhalten lassen möchte, ist hier genau richtig.