Zum Inhalt: 1964: der erfolgreiche Architekt Cees Kerkman entwirft ein gläsernes Ferienhaus für seine Familie. Dieses Haus, das über 60 Jahre später in Flammen aufgehen wird, ist ein Ort, an dem drei Generationen der großbürgerlichen Kerkman-Familie aufeinandertreffen, streiten, reden, lieben und feiern; ein Ort, an dem die entscheidenden Momente und Krisen im Leben der Familie stattfinden werden. In Szenen, die in der Zeit vor- und zurückspringen und sich mosaikhaft zusammenfügen, beobachten wir die Gespräche und Interaktionen der Familienmitglieder und verfolgen mit, welche Auswirkungen die Verbrechen und Missbräuche der Großeltern und Eltern sowie deren Verdrängen und Vertuschen auf deren Enkel und Kinder haben. Auch wenn die totale Transparenz der gläsernen Wände scheinbar keinen dunklen Winkel zum Verstecken von Unliebsamem übrig lässt, wird ein finsteres Familienerbe über Generationen vor den Augen aller unerkannt fortgetragen. Der Wille zum Wegschauen, die schweigende Gruppendynamik des Vergessens und des Auslöschens ist stärker als das eigentlich Offensichtliche.
Mit: Celia Nufaar, Hans Kesting, Fred Goessens, Maria Kraakman, Janni Goslinga, Hélène Devos, Maarten Heijmans, Aus Greidanus jr, Eva Heijnen, Bart Slegers, David Roos
Regie: Simon Stone Bühne: Lizzie Clachan Kostüme: An D’Huys Musik: Stefan Gregory Dramaturgie und Übersetzung: Peter van Kraaij Licht: James Farncombe Private Produzenten: Gert Jan, Corinne van den Bergh
''Der Transfer in die Gegenwart soll den Zuschauern die alten Motive besonders nahe bringen: Die Menschen sprechen wie wir, sie haben dieselben Probleme wie wir – es ist, als ziehe man sich im Binge-Watching eine ganze Serienstaffel eines aktuellen Familiendramas rein. Viele Zuschauer nahm das sichtlich gefangen, sicher auch wegen der tollen Schauspieler von der Amsterdamer Toneelgrup, die sich hier ganz in den psychologischen Realismus fallen lassen.
Nichtsdestotrotz ist der Abend recht flach geraten. In ihn werden derart viele Dramen, tragische Schicksale, Todesfälle gepresst, dass die Figuren nicht mehr plastisch wirken, sondern vorrangig dem Forttreiben der Handlung dienen. Vielschichtige Menschen werden zu spannungslosen Schwarz-weiß-Schablonen. Wenn Caroline dann eine große Rede auf die Wichtigkeit der Flüchtlingshilfe hält, könnte man meinen, der Plot-Schreiber habe versucht, so viele gesellschaftsrelevante Themen so pädagogisch wertvoll wie möglich einzubauen.'' schreibt Barbara Behrendt auf kulturradio.de
Näher an der TV-Soap als an Ibsens Theater-Klassikern
6 Jahre her.
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Kritik
Simon Stone lässt in seiner Ibsen-Übermalung nur noch vage Anklänge an das Werk des norwegischen Dramatikers übrig. Am ehesten sind noch Spuren von „Baumeister Solness“ und „Gespenster“ zu erkennen, dazu hier eine Prise „Nora“ oder dort eine kleine Inspiration aus dem „Volksfeind“.
Ansonsten packt er in die 3,5 Stunden „Ibsen Huis“ noch vieles andere wie die AIDS-Krise der 80er Jahre, die Flüchtlingsströme 2015/16 und den Brexit. Dies sind nur einige Nebenstränge der Familiensaga, die sich um den mehrfachen Missbrauch rankt, den Patriarch Cees (Hans Keesting) an seiner Nichte und an seiner Enkelin beging.
Bis zum eindringlichen Inferno, bei dem das Haus in Flammen aufgeht und sich die letzten Überlebenden wünschen, dass andere Familien ein besseres Leben und mehr Glück als sie haben werden, schleppen sich die nach Dantes „Göttlicher Komödie“ benannten ersten beiden Teile „Paradies“ und „Fegefeuer“ bei diesem Gastspiel zum Abschluss des FIND-Festivals der Schaubühne zu langatmig dahin.
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''In zeitlichen Vor- und Rücksprüngen von den 60er über die 80er Jahre bis ins neue Jahrtausend treffen die Figuren immer wieder im Haus aufeinander. Die mittlerweile drogenabhängige Caroline, kehrt nach einem Auslandsaufenthalt wieder ins Haus zurück und fordert die von Cees gegebenen Versprechungen ein. Damit bekommt das sorgsam gefügte Lügengebilde erste Risse. Der zunächst etwas undurchsichtig und mühsam konstruierte Plot, bei dem die SchauspielerInnen ständig in den Rollen wechseln müssen, sorgt in der Pause für reichlich Gesprächsstoff darüber, wer, wie mit wem und warum hier irgendwas zu tun hat. Das Ausufern des Personenkreises und dessen Verstrickungen tragen nicht gerade zur dramatischen Verdichtung bei. Das sich beliebig verzweigende, teils recht verplapperte Well-made-Play mutiert bald zur nervigen Ibsen-Verzwergung auf Telenovela-Niveau. (...)
Simon Stone steigert das persönliche Drama der Familie Kerkman immer weiter bis zur allgemeinen Gesellschaftstragödie, indem er auch noch Finanzkrise, Brexit, Flüchtlingskrise und Fremdenfeindlichkeit in die Geschichte einflicht. Das reinigende Feuer, das laut der recht impulsiv auftretenden Caroline Platz für eine neue Saat schaffen soll, verpufft nach dreieinhalb Stunden als moralischer Schwelbrand. Jedes originäre Ibsen-Stück birgt für sich allein mehr Dramatik als diese flott daherkommende Vergegenwärtigung, die sich an ihrem eigenen Aktualitätswahn berauscht.'' schreibt Stefan Bock am 24. April 2018 auf KULTURA-EXTRA