Es ist das bekannteste Stück des amerikanischen Autors Edward Albee, uraufgeführt 1962 in New York. Der Titel bezieht sich in Art eines assoziativen Wortspiels auf das Kinderlied „Who’s afraid of the big bad wolf ?“ Noch berühmter als die Bühnenversion ist der Film von Mike Nichols aus dem Jahre 1966 mit Liz Taylor und Richard Burton. Die deutsche Erstaufführung des Stückes fand 1963 in Berlin statt: unter der Regie von Boleslaw Barlog spielten damals Maria Becker und Erich Schellow die Rollen von Martha und George.
Im Berliner Renaissancetheater wählt Regisseur Torsten Fischer für seine Neuinszenierung die Übersetzung von Alissa und Martin Walser. Das Bühnenbild von Herbert Schäfer und Vasilis Triantafillopoulos wird im Vordergrund von zwei mehrsitzigen, einander gegenüberstehenden Ledersofas dominiert, während der Zuschauer hinter einer geteilten Jalousie noch die verheissungsvoll ausgeleuchte Flaschenbatterie einer Bar wahrnimmt, die wiederum von einem drohenden Clownsgesicht überwölbt wird.
Das szenische Milieu ist amerikanische Mittelschicht in einer kleinen, vom College geprägten Stadt. Martha (Simone Thomalla) und George (Klaus Christian Schreiber) kommen spät von einer Party bei Marthas Vater nach Hause, beide schon stark alkoholisiert. George ist Geschichtsprofessor an der Uni. Seine Frau Martha, die Tochter des Collegedirektors, hat ungeachtet der vorgeschrittenen Stunde noch Gäste eingeladen, den Biologiedozenten Nick (Emre Aksizoğlu) und seine Frau Süsse (Karla Sengteller). Zunächst duellieren sich Martha und George mit blitzenden Dialogen: sie attackiert ihn als Versager und Nichtskönner, er revanchiert sich, indem er sie als alkoholabhängige Schlampe stilisiert. Von der Zuneigung, die beide einstmals zueinander geführt hat, ist längst nichts mehr übrig. Ihr Verhältnis ist von den Ernüchterungen des Alltags verschlissen. Beíde schenken sich nichts in ihrem zerstörerischen Wortgefecht. Es klingelt, die Gäste sind da.
Weiterhin bestimmt die Allgegenwart von Brandy und Bourbon das sich steigernde und zuspitzende Dialogniveau. George entlockt Nick das Geständnis, dass der seine Frau Süsse wegen einer Scheinschwangerschaft geheiratet hat, die inzwischen in eine Kette von Übelkeitsanfällen bei Süsse übergegangen ist. Aber auch Martha hat eine angreifbare Schwachstelle: sie hat sich, in Wahrheit kinderlos, seit Jahren in die Fiktion hineingesteigert, mit George einen Sohn zu haben, dessen einundzwanzigster Geburtstag nun bevorstehe.
Schliesslich nimmt George die ganze Kraft seiner Frustration zusammen und nutzt die Kenntnis der psychischen Schwächen seiner Sparringspartner für ein perfides Gesellschaftsspiel. Zuerst verspottet er Nick wegen seiner scheinschwangeren Frau. Aber damit nicht genug: mit einem entschlossenen Schwertstreich zerstört er auch das psychische Refugium seiner Frau Martha, indem er gnadenlos den Unfalltod des erfundenen Sohnes verkündet. Nun ist der Scherbenhaufen aufgetürmt und alle Kraft der Bosheit ist verpufft. Nick und Süsse verlassen den Kampfplatz, und Süsse erklärt, sich nunmehr wirklich ein Kind zu wünschen. Martha und George finden gemeinsam zu einer versöhnlichen Haltung: sie bekennt, nunmehr „Angst vor Virginia Woolf“ zu haben - Angst vor einem Leben ganz ohne Illusionen.
Viel Beifall für eine gut abgestimmte, zügig ablaufende Ensembleleistung. Simone Thomallas von Drinks beflügelte Ausfälle halten ihren Mann auf Distanz, aber im seelischen Zusammenbruch angesichts der Realität gelingen ihr später auch anrührende Momente. Klaus Christian Schreiber ist der souveräne, hundsgemeine und heimtückische Moderator, der aus langjährig gewachsener Zurücksetzung zu immer neuen Anläufen der Hinterlist findet. Emre Aksizoğlu und Karla Sengteller sind sehr überzeugend das junge Paar, das nichtsahnend in die Mühlen einer nächtlichen Enthüllungsparty gerät.
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