Nüchtern betrachtet ist die Idee ja nicht ganz neu, eine x-beliebige, eigentlich für Profi-Schauspieler gedachte Handlung von Laien exekutieren zu lassen, die dann mit schlafwandlerischer Sicherheit von Panne zu Panne taumeln. Im Bühnenstück von Henry Lewis, Jonathan Sayer und Henry Shields mit dem Originaltitel „The Play That Goes Wrong“ (uraufgeführt 2012 in London) bekommt dieser Handlungskern allerdings eine raffinierte zweite Ebene, denn die Akteure spielen nur Laien, sind aber in Wahrheit ausgepichte Profis, bei denen jeder Gag vielmals geprobt ist und jede scheinbar zufällige Wendung zielbewusst und präzise herbeigeführt wird. Was da jetzt auf der eigentlich kleinen Bühne des Renaissance-Theaters zu sehen ist, steigert sich zu einem äusserst amüsanten Abend.
Zur Abwechslung ist hier einmal an erster Stelle das Bühnenbild zu rühmen, das von einer ganzen Schar technischer Helfer im Hintergrund zum Funktionieren gebracht wird. Angeblich aus Elementen des Fundus von 1957 zusammengesetzt, bietet es Spielorte in zwei Stockwerken und kann sogar mit einem veritablen Fahrstuhl aufwarten, der unter Donner und Qualm seinen Dienst versieht. Da gibt es einen Kaminaufsatz, der einfach nicht an seinem Platz haften will und später durch helfende Hände ersetzt wird, und es gibt Wandbilder, die unvermittelt herunterfallen, später aber nach längerem Festhalten wieder in der alten Position an der Wand haften. Im Laufe des Abend stürzen Teile des Bühnenbildes in wohlkalkulierten Phasen herunter, und was für Augenblicke katastrophal wirkt, erweist sich als wohldisponierter Effekt.
In der Übersetzung von Martin Riemann ist die fiktive Evangelische Ernst-Reuter-Platz Gemeinde Theatergruppe (EERPGT) Träger der Handlung. Folgerichtig tritt Klaus Christian Schreiber als Pfarrer Christian T. Schleifer in den schlecht ausgerichteten Scheinwerferkegel vor dem Vorhang und hält in herrlich salbungsvollem Ton eine Begrüßungsansprache, ehe er sich wenig später in den Inspektor Carter verwandelt.
Wenn sich der Vorhang öffnet, liegt Charles Haversham (Regisseur Guntbert Warns) scheinbar leblos auf einem samtroten Sofa, und vom weiteren Gang der Handlung soll hier garnichts verraten werden. Es genügt der Hinweis, dass es zwei Damen mit feuerroter Perücke gibt ( Anna Thalbach und Anna Carlsson), die sich mit wechselndem Glück um liebevolle Kontakte bemühen. Boris Aljinović ist in einem hochmodischen Knickerbocker-Ensemble und herrlich trockenem Humor Thomas Colleymore, der Bruder von Perückenträgerin Florence Colleymore. Thomas Schendel ist der fabelhafte Perkins, hingebungsvoller Butler auf Schloß Haversham. Cecil Haversham, den Bruder von Charles, spielt Martin Schneider, der später auch der Gärtner ist (übrigens nicht der Mörder). Als Trevor Bohnenkamp, der Licht- und Tontechniker der Gruppe, agiert Guido Föhrweisser, der in der Vorbereitung auch für das Fechttraining sorgte.
Den ganzen Abend über ist des Vergnügens kein Ende, weil auch die allesamt fabelhaften Akteure buchstäblich über sich hinauswachsen. Ganz zu Recht tritt aber am Schluss zuerst die Riege der Bühnentechniker an die Rampe, der es zu danken ist, dass die optischen und akustischen Überraschungen Knall und Fall aufeinanderfolgen und jede neue Panne ein genau eingesetzer Gag ist. Das begeisterte Publikum feiert das gesamte Ensemble mit rhythmischem Applaus. Von irgendwelchen Unpäßlichkeiten im Laufe der Vorstellung wird lediglich über gelegentliche Lachkrämpfe berichtet.
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