Der Autor Nick Payne, ein 1984 geborener Brite, hat Erfolg, gewinnt renommierte Theaterpreise und bekommt begeisterten Beifall sowohl in London wie am Broadway in New York. Sein Stück „Konstellationen“ ist 2012 am Royal Court Theater in London uraufgeführt worden und hatte seine deutschsprachige Erstaufführung 2013 am Schauspielhaus Wien. Soweit ist dies eine Stück-Vita wie andere auch. Dennoch ereignet sich hier in mehrfacher Hinsicht kein Stück wie viele andere. Vielmehr ist der dramaturgische Ansatz ausgesprochen ungewöhnlich, konterkariert sogar gewohnte Erfolgsmuster in überraschender Form und schafft es gleichwohl, das Publikum zu gewinnen und für anderthalb Stunden mit einem intelligent komponierten thematischen Ostinato zu fesseln.
In der Inszenierung von Antoine Uitdehaag am Berliner Renaissance-Theater baut Momme Röhrbein, dem raffinierten Minimalismus des Textes entsprechend, eine schwarz ausgeschlagene Guckkastenbühne, auf der lediglich vier weisse Stühle dazu einladen, sie in immer neuen Konstellationen zu platzieren. Von der Decke hängen an langen Drähten einzelne Glühlampen, und dieses Dekorationselement wird bis in den Zuschauerraum hineingezogen, wodurch es bei entsprechender Lichtregie den Eindruck des scheinbar zeitlosen Sternenhimmels vermittelt.
Marianne (Suzanne von Borsody) und Roland (Guntbert Warns) begegnen sich und tauschen zunächst nur beiläufige Beobachtungen aus. Mit ihrem weiteren Meinungsaustausch setzt bereits das gestaltende Stilmittel ein, das sich durch die gesamte Aufführung zieht und seinen intellektuellen Reiz kontinuierlich ausspielt: Lichtwechsel, Musikeinspielung (Het Palais van Boem), dann die Variation des vorangegangenen Textes, mit verändertem Akzent, in abgewandeltem Sprachstil und bald verschärfter, bald zurückgenommener Diktion. Und das Wunder der szenischen Faszination funktioniert tatsächlich: wo man annehmen müßte, dass so gering abweichende Veränderung auf die Dauer ermüden müsste, ist der Zuschauer stattdessen gefesselt und verfolgt aufmerksam diese immer etwas anderen Anläufe zum selben Ziel, der zwischenmenschlichen Kommunikation.
Was sich die beiden zu sagen haben, scheint nebeneinander existierenden Parallelwelten zu entstammen. Alles ist im Zustand des nur Gedachten, dem Zufall sind sämtliche Tore geöffnet, und was auf die eine Weise zu gelten scheint, könnte ebensogut in einer variierten Form geschehen. Ob sich eine neue Liebesbeziehung entwickelt, ob frühere Beziehungen als belastend oder belanglos angesehen werden, ob sich eine Entwicklung zuspitzt oder einfach zerflattert - alles ist möglich in diesem Universum des Denkbaren.
Den Texten gibt Autor Payne mannigfache Farbe, Elemente des Skurrilen und Überraschenden. Marianne ist Physikerin und gibt Daten kosmischer Strahlung in ihren Computer ein. Roland ist von gänzlich konträrer Mentalität und widmet sich eher der Bienenzucht. Eine Aufzählung der drei Gruppen eines jeden Bienenvolkes liest er entweder vom Blatt, oder er kann auch darauf verzichten und Marianne stattdessen einen Heiratsantrag machen.
Keine Frage, dass ein solcher Spielvorwurf ein ideales Terrain ist für zwei souveräne Darsteller, die über Nuancenreichtum des Ausdrucks und eine differenzierte Skala sprachlicher Gestaltung verfügen. Suzanne von Borsody vermittelt beredten Charme ebenso überzeugend wie vielfach variierte Eindringlichkeit. Guntbert Warns kann ein eher spröder Einzelgänger ebenso wie ein begeisterter Liebhaber sein. Besonderen Szenenbeifall gibt es, als die präsentierten Sprachversionen sich ganz auf die Gebärdensprache reduzieren, von beiden in einer ausführlichen Passage virtuos und suggestiv dargeboten.
Das Premierenpublikum im ausverkauften Haus folgt den Gedankenspielen mit nie versiegender Aufmerksamkeit, und diese Spannung entlädt sich am Ende in einem ausgiebigen Beifallssturm, der gleichermaßen Dankbarkeit und Anerkennung ausdrückt.
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