Das Leben von Lotte Lenya ist das Paradebeispiel einer Karriere mit allen Höhen und Tiefen. Es kulminierte in der Beziehung zum jüdischen Komponisten Kurt Weill, mit dem sie sogar zweimal verheiratet war. Beider Lebensweg wird von den Namen großer Künstler ihrer Zeit gesäumt. Unbestreitbarer Höhepunkt war wohl die Uraufführung der „Dreigroschenoper“ am 31. August 1928 im Berliner Theater am Schiffbauerdamm, Text von Bertolt Brecht und Musik von Kurt Weill. Die Songs aus jener sozialkritischen Revue sind noch heute in jedermanns Ohr und entfalten jetzt auch in dieser „Hommage an Lotte Lenya und Kurt Weill“ ihren zündenden, mitreissenden Charme.
Ihr Leben war an Farbigkeit kaum zu übertreffen. Geboren als Karoline Wilhelmine Charlotte Blamauer 1898 in Wien, wuchs sie in ärmlichen Verhältnissen auf. Sie verbrachte die Jahre als junges Mädchen in der Schweiz und wurde hier viel in Begleitung von Offizieren gesehen. 1921 ging sie mit ihrer Freundin Grete Edelmann nach Berlin, um dort „richtig Karriere zu machen“ - jetzt unter dem Namen Lotte Lenya. Durch ihre ersten Theaterauftritte lernte sie den Dramatiker Georg Kaiser kennen und wurde Haus- und Kindermädchen in Kaisers Haus im Vorort Grünheide. Dort traf sie 1924 den Komponisten Kurt Weill, den sie zwei Jahre später heiratete. 1927 hatte Weills Songspiel „Mahagonny“ in Baden-Baden Premiere, und die Mitwirkung von Lotte Lenya fand bei der Kritik große Anerkennung. Es folgte die Beziehung mit dem Tenor Otto von Pasetti, die Scheidung von Kurt Weill erfolgte 1933 aber wohl eher, damit Lenya die Vermögenswerte von Weill vor der Beschlagnahme durch die Nazis retten konnte. Stattdessen wurden die materiellen Werte ein Opfer ihrer Spielleidenschaft, der sie gemeinsam mit Pasetti in europäischen Spielcasinos frönte.
1935 wanderte Lenya mit Weill in die USA aus, und beide bemühten sich dort, Amerikaner zu werden und Europa zu vergessen. 1937 heirateten sie erneut. Kurt Weil starb 1950 an einem Herzinfarkt in New York. Ein Jahr später heiratete Lenya den Autor und Verleger George Davis, und sie spielte die Rolle der kämpferischen Witwe Weills, die mit Leidenschaft für dessen Werk eintrat. 1955 war sie gemeinsam mit Davis in Deutschland, und er starb hier zwei Jahre später. Nun begann Lotte Lenyas zweite Karriere, zu der auch ihre Filmrolle als Rosa Klebb im James-Bond-Film „Liebesgrüße aus Moskau“ gehörte. Sie spielte „Fräulein Schneider“ im Musical „Cabaret“, ehelichte als 64jährige den sehr viel jüngeren, alkoholkranken Maler Russel Detwiler, der 1969 tödlich verunglückte. Ihre letzten Jahre waren von Einsamkeit und Krankheit geprägt. Sie starb 1981 in New York.
Dem Autorenduo Torsten Fischer und Herbert Schäfer ist es gelungen, aus den widerstreitenden Elementen dieser Lebensgeschichte eine szenische Collage zu formen, in der die herausragenden Songs noch einmal die Höhepunkte der Kompositions- und Interpretationsleistung des Duos Lenya-Weill lebendig werden lassen. Für diese Uraufführung im Berliner Renaissance-Theater in Kooperation mit dem Wiener Theater in der Josefstadt übernimmt Torsten Fischer die Regie, und Herbert Schäfer baut ihm mit Vasilis Triantafillopoulos eine halsbrecherisch schräge Bühne, die sich als Diagonale von links unten nach rechts oben präsentiert. In den knappen Raum dahinter zwängt sich die fabelhafte Band aus Harry Ermer, Stephan Genze, Daniel Zenke und Roland Schmitt, deren perfektes Jazz-Feeling wesentlich zum durchschlagenden Publikumserfolg der Songs beiträgt.
Den entscheidenden Impuls für den uneingeschränkten Sieg dieser Aufführung liefert allerdings die Besetzung der beiden Hauptrollen. Sona Macdonald als Lotte Lenya ist ein absoluter Glücksfall. Sie hat eigentlich drei Stimmen : eine klare, gut artikulierte Sprechstimme, einen dunkel getönten Chanson-Ton, der von einem hell klingenden, schön timbrierten Sopran gekrönt wird. Dieses breitgestreute Talent erlaubt es ihr, alle Ecken der präsentierten Chansons überzeugend auszuleuchten. So hört man mit Begeisterung Kassenschlager wie den „Alabama-Song“, den „Havanna-Song“ und die schon klassische „Moritat von Mackie Messer“ , den unverwüstlichen „Bilbao-Song“, „Surabaya Johnny“ und als absolute Krönung zum Schluß die „SeeräuberJenny“ aus der Dreigroschenoper. Sona Macdonald gestaltet diese Stücke lustvoll expressiv und gibt ihnen damit eine suggestive Bühnenpräsenz.
Ihr zur Seite spielt Tonio Arango die Rolle von Kurt Weill und der später folgenden Lenya-Gatten. Auch er weiss mit Spielfreude und geschickter Interpretation zu überzeugen und bewährt sich sogar als Duettpartner von Sona Macdonald in einzelnen Songpassagen.
Das Premierenpublikum bejubelt eine gelungene Reinkarnation zweier unsterblicher Künsternamen, die hier höchst lebendig in Erinnerung gerufen werden.
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