Dieser Erfolg hat viele Väter: das „Singspiel in drei Akten“, das im Salzkammergut spielt, genauer: am Wolfgangsee, wo das Hotel „Weisses Rössl“ bis heute zu finden ist. Am Anfang stand ein Schwank von Oscar Blumenthal und Gustav Kadelburg, der 1897 in Berlin uraufgeführt wurde. Daraus wurde dann die Operette mit dem Text von Hans Müller und Erik Charell, mit den Liedtexten von Robert Gilbert und der Musik von Ralph Benatzky, die 1930 im Berliner Großen Schauspielhaus erstmals über die Bühne ging. Dies war der Beginn eines Siegeszuges, der in der Folge bis nach Paris, London und New York führte. Sechs musikalische Einlagen stammen von Robert Gilbert, Bruno Granichstaedten und Robert Stolz, und mit späteren Bearbeitungen ist dann auch noch der Name von Eduard Künneke verknüpft. Zahlreiche Film- und Fernsehfassungen haben seither die unverwüstliche Beliebtheit des Stoffes und seiner Musiknummern unterstrichen und gefestigt.
Das „weiße Rössl“ ist und bleibt ein Phänomen. Regisseur Torsten Fischer hat nun im Berliner Renaissance-Theater eine radikal entstaubte Fassung auf die Bühne gebracht, die den zündenden Charakter der wohlbekannten Musiknummern erhält und der Handlung einen flotten, plausiblen und mit einer ganzen Kette von Pointen angereicherten Verlauf gibt. Der umjubelte Premierenerfolg ist gleichermaßen dem szenischen Ablauf, der von Karl Alfred Schreiner mitreissend choreografierten Schauspielerführung und der fabelhaften, von Harry Ermer geleiteten Band zu danken, die zusammen mit der überaus gelungenen Besetzung dafür sorgten, dass die Spannung und Begeisterung an diesem Abend keinen Augenblick nachließ.
Der überlieferte Handlungsrahmen offeriert gleich einen ganzen Strauß prächtiger Rollen für spielfreudige, komödiantisch versierte Akteure. Das beginnt mit der Rössl-Wirtin Josepha Vogelhuber (Winnie Böwe) und ihrem Zahlkellner Leopold (mit angenehmer Singstimme: Andreas Bieber), der es nach zeitweiliger Entlassung am Ende bis zum Ehemann und Chef des Hauses bringt. Um die beiden herum eine präzise eingesetzte Riege exzellenter Darsteller. Allen voran der saftig berlinernde Textilfabrikant Wilhelm Giesecke (Boris Aljinović), der eigentlich das Osteebad Ahlbeck dem österreichischen Salzkammergut vorzieht. Seine Tochter Ottilie (Annemarie Brüntjen) angelt sich aus dem Kranz der Hotelgäste den Rechtsanwalt Dr. Siedler (Tonio Arango), und der anfangs etwas schüchterne Sigismund Sülzheimer (Ralph Morgenstern) erobert das Herz der verzagt lispelnden Professorentochter Klärchen (Nadine Schori), mit der er auch als Grotesktänzer brilliert. Klärchens sparsamen Vater Professor Dr. Hinzelmann spielt Walter Kreye, und er hat nicht nur eine eigene Songnummer im Programm, sondern er kann in einer Beinahe-Traumsequenz als Kaiser Franz Joseph auch noch der Rösslwirtin tröstliche Lebensweisheiten mitgeben. Angelika Milsters herrlich jazziger Jodel-Sopran ist immer im rechten Moment zur Stelle, und manche Schauspieler schlüpfen auch noch, blitzschnell maskiert, in andere Rollen, so Ralph Morgenstern, Tonio Arrango und Boris Aljinovic, dessen Verwandlung in ein Stubenmädchen gleich zu Beginn schon beste Laune verbreitet.
Das Publikum folgt der drolligen Handlung und den vertrauten Songs mit großer Begeisterung. Als Sigismund den Zuschauern sein „Was kann der Sigismund dafür ?“ zuruft, antworten die im Flüsterchor mit „daß er so schön ist ?“ So einhellig animiert ist die Stimmung während der gesamten Aufführung, und knappe, treffende Gags halten die Temperatur stets am Kochen. Zum Schluß viele Minuten langer, von rhythmischem Klatschen angeheizter Beifall: Dieses Rössl wird seinen Lauf mit Sicherheit eine ganze Weile fortsetzen.
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