Kritik
Kalendarisch sind wir gerade mal im Herbst, das Hexenberg-Ensemble spielt aber bereits Shakespeares Wintermärchen, das jenseits aller Jahreszeiten eine Geschichte von den Folgen der Eifersucht erzählt, die sich über 16 Jahre erstreckt.
Der sizilianische König Leontes versteigt sich in den Gedanken, seine Frau Hermione würde ihn mit seinem besten Freund Polyxenes, König der F antasiewelt Böhmen, betrogen haben. Und obwohl er seine Frau liebt, sein Freund ihm fast ein Bruder ist, sperrt er seine Gattin ein und verbannt Polyxenes. Damit nicht genug, der erstgeborene heißgeliebte Sohn stirbt am Kummer, seine Mutter so entehrt erleben zu müssen, auch Hermione lässt daraufhin ihr Leben und die gerade erst geborene Tochter wird in der böhmischen Wildnis ausgesetzt, bühnentechnisch übrigens eindrucksvoll dramatisch dargestellt. Wo sie, auf den Namen Perdita getauft, bei einem Schäferpaar die nächsten 16 Jahre aufwächst.
So weit so gut. Die Inszenierung von Jan Zimmermann hält sich erstaunlich genau an die Vorlage, auch wenn trotzdem und glücklicherweise wieder alles ganz anders ist. Die 15 beteiligten Figuren werden von nur drei Schauspielern zu mehr als nur normalem Leben erweckt, sie spielen sich einmal mehr die Seele aus dem Leib. Vlad Chiriac, bekanntes Gesicht des Hexenberg-Ensembles, mimt neben dem König Leontes unter anderem einen sehr gewitzten Taschendieb und Balladensänger, Claudia Graue, ebenfalls unglaublich wandelbar, läuft als superkomische Schäferin zu Hochformen auf und Andreas Klopp springt ebenfalls zwischen einigen Rollen umher, mimt Polyxenes und das männliche Pendant zur Schäferin sehr überzeugend.
Jan Zimmermann lässt seiner Fantasie jedenfalls wieder einmal freien Lauf und so finden viele schräge Ideen ihren Platz in der Inszenierung, die auch von einem Erzähler musikalisch begleitet wird. Schön herausgearbeitet, wie Camillo versucht, begreifen zu lassen, dass Polyxenes für Leontes Eifersucht verantwortlich ist. Herrlich auch, als Claudia Graue und Andreas Klopp in den Rollen der beiden Schäfer nicht nur das Findelkind entdecken, sondern auch den Geldbeutel und sich darüber äußerst intensiv in böhmischer Fantasiesprache auseinandersetzen. Oder als Vlad Chiriac, weit mehr als nur ein Balladensänger, die Bühne rockt.
Auf einem Schafschurfest wird schließlich von dem verkleideten Polyxenes die Liebschaft seines Sohnes Prinz Florizel von Böhmen mit der scheinbar unstandesgemäßen Perdita entdeckt, was die beiden Frischverliebten zur Flucht nach Sizilien zwingt. Womit sich der Kreis schließt, Leontes erkennt in Perdita seine vermisste Tochter und versöhnt sich auch mit Polyxenes.
Nur Hermione, in der Inzenierung zwar sehr wohl als Statue auf der Bühne, steigt am Ende nicht von ihrem Marmorsockel, um sich mit ihrem Mann wiederzuvereinen. Wodurch nur fast alles gut wird …
Eine gelungene Aufführung, die trotz Feuerfehlalarms bei der Premiere nichts von ihrer Spannung einbüßen musste und das Publikum durchgängig gefangen nehmen konnte.