Kritik
''Alexander ist nicht wie bei Tschechow Professor, sondern ein alternder Filmemacher, der sich mit seiner jungen Frau Helena mangels Geld auf den Kartoffelhof seiner verstorbenen ersten Frau zurückgezogen hat. In der ersten Szene spielt Mommsen den Arzt Michael, der wie bei Tschechow zu viel trinkt und wie die Titelfigur Ivan (Vanya) ein Auge auf Helena geworfen hat. Des Weiteren sind da noch Sonia, die unglückliche Tochter Alexanders aus erster Ehe, ihre Großmutter Elisabeth und der verarmte Nachbar Liam, bei Tschechow bekannt als Waffel, hier auch genannt Krater. Wer Tschechows Stück kennt, wird sich recht gut in Stephens Fassung zurechtfinden. Im Grunde geht es auch hier um verpasste Gelegenheiten, die Sehnsucht nach Liebe, vergebliche Hoffnung und große Enttäuschungen. Ein Leben in ewiger Wartestellung. Erst plumpsen die Kartoffeln aus dem alten Schrank. Am Ende versucht Mommsen vergeblich, sie wieder einzuräumen.
Da menschelt es auch immer wieder gewaltig. Mommsen spielt sich fühlend ein in die verschiedenen Charaktere. Was nicht grundlegend falsch ist, aber auch zum zunehmenden Verwischen der einzelnen Eigenarten der Figuren führt. Vermutlich ist das aber sogar Absicht. Dem Schauspieler reichen hier Accessoires wie ein Fächer für die zarte Helena, ein Stock für Alexander oder Elisabeth, ein etwas energischerer Ton und ein Arztkoffer für Michael. Den sich dem Müßiggang ergebenen Melancholiker Vanya spielt er halb in einem Bademantel steckend. Die traurige, trotz allem immer positiv denkende Gestalt des Liam wohnt hier unterm Tisch. So spielt sich Mommsen relativ unterspannt von Szene zu Szene, wechselt fast unmerklich die Charaktere, so dass der untrügliche Eindruck einer einzigen, sich um ein unerfülltes Leben drehenden Person entsteht. Ein Tänzchen der vergeblich in den Arzt verliebten Sonia mit dem Kühlschrank und der Ausbruch Vanyas aus seiner Lethargie mit Gewehrschüssen und Regalausräumung bei der Ankündigung Alexanders, das Gut zu verkaufen und mit dem Erlös auf die Isle of Man zu ziehen, sind dann schon die Höhepunkte des Abends, der zwischen launiger Tragikomödie und am Ende etwas sentimental-kitschigem Edelboulevard changiert. Oliver Mommsens brillantes Spiel garantiert allerdings für durchweg gute Unterhaltung.'' schreibt Stefan Bock am 12. August 2025 auf KULTURA-EXTRA