Kritik
Irgendwo in Berlin. Kinder spielen, Autos strömen vorbei,ein Obdachloser fiedelt auf seiner Geige. Und Adolf Hitler ( Kristian Bader ) hebt den Kopf und schaut sich um. Er klopft Staub von seinem Soldatenrock und macht sich resolut auf die Suche nach dem Führerbunker. Ein wenig irritiert es ihn schon, dass die Welt, in der er da aufgewacht ist, so anders ist als die ihm bekannte. Aber, wie es sich für einen guten Deutschen gehört, er geht tapfer vorwärts. Und trifft einen Zeitungskioskbesitzer ( Ole Schloßhauer ), der seine „Show“ großartig findet, sein „Kostüm“ und seine „Schauspielkünste“. Er lässt Hitler bei sich im Kiosk wohnen und geht sogar noch einen Schritt weiter, um seinem neuen Kumpel zu helfen: Er stellt ihn einem ihm bekannten Fernsehmenschen vor.
Der Fernsehmensch ( Stefan Roschy ) ist zunächst argwöhnisch. Aber als Hitler ihn dann, ganz seinem Charakter entsprechend, zackig zusammenfaltet und über den Poleneinmarsch schwadroniert, als würde er ablesen, da lässt er sich doch überzeugen. Dieser „Hitlercomedian“ hat das Potential, ein Hit zu werden! Er nimmt ihn mit, stellt ihn der Chefetage seiner Firma vor ( Kerstin Hilbig, Ole Schloßhauer ) und auch dort ist man nach anfänglichen Zweifeln schnell überzeugt. Dieser Adolf Hitler könnte der ganz neue heisse sh*t werden! Besser als Mario Barth, besser als Dieter Nuhr. Um den grösstmöglichen Kulturclash zu erreichen, paart man ihn mit einem türkischen Performer, der natürlich, ganz wie erwartet, vor Wut ausrastet. Adolf Hitler dagegen ist mit der Situation ganz zufrieden. Er versteht nicht alles, was eigentlich vor sich geht, freundet sich aber schnell mit dieser neuen Welt an. Internet zum Beispiel – hätte man das damals schon als Propagandamittel gehabt! Goebbels wäre begeistert gewesen! Die heutige Politik dagegen verblüfft und empört Hitler.
Bizarrerweise empfindet man als Zuschauer zunächst beinahe so etwas wie Sympathie für Adolf Hitler. Er erscheint verwirrt und hilfsbedürftig in dieser für ihn so neuen und ganz anderen Welt. Seine Reden, so widerlich sie auch sein mögen, regen einen eher zum Lachen an, weil ihm niemand wirklich glaubt und weil sie surreal wirken. Er ist wie ein kleiner Käfer in einem Glas, der emsig strampelt, ohne etwas zu erreichen. Richtig abstossend wird Adolf Hitler erst spät. Und nicht durch seine eigenen Taten, sondern durch die der Fernsehmenschen. Beseelt von seinem Erfolg skandieren sie ekstatisch Sieg Heil. Und Adolf Hitler lächelt nur milde. Er hat es wieder geschafft.
Stücke wie dieses sind der Grund, dass ich nicht glauben kann, dass man überhaupt überlegt, das Theater am Kudamm zu schließen. Neben lustigen, romantischen und rührigen Stücken gibt es hier auch immer wieder großartig nachdenkliche Stücke wie dieses zu sehen. Mit aktuellem und kontroversem Bezug. Und aktueller als „Er ist wieder da“, dessen Verfilmung dieser Tage den Bambi bekam, geht es ja kaum in Zeiten von AfD und Trump.
Kristian Bader ist herausragend in der Rolle des Adolf Hitler. Er ist sympathisch und zuvorkommend, zum Beispiel gegenüber den weiblichen Beschäftigten der Fernsehfirma. Aber wenn er eine seiner geifernden Reden hält und davor in einer schaurig wohlbekannten Geste sein Haar zurückstreicht, dann ist es, als wäre „er“ tatsächlich wieder da. Und wenn er tatsächlich zurückkommen würde, wie würden wir dann reagieren? Wie die Medien? In Zeiten von Kochshows und Doku-Soaps auf allen Kanälen. Wenn uns die Trennung von Pietro und Sarah mehr interessiert als der amerikanische Wahlkampf, der in einem Sieg von Donald Trump mündete. Ein nachdenklich machendes, tiefbewegendes und aufrüttelndes Theaterstück über die Macht und Ohnmacht der Medien. Sehr sehenswert.
©Nicole Haarhoff