Es sind die inneren Werte, die zählen – sollte man meinen – doch natürlich auch die eine oder andere Äußerlichkeit. Denn jeder will gut aussehen und keinesfalls „normal“. So beschreibt aber Greg seine Freundin Steph dem Machofreund Kent gegenüber und löst damit einen riesigen Streit aus. Denn für Steph ist das kleine harmlose Adjektiv eine Katastrophe, weil in ihren Augen „normal“ gleich „hässlich“ ist. Tief verletzt packt sie ihre Sachen und zieht aus der gemeinsamen Wohnung aus. Greg versteht die Welt nicht mehr.
mit Oliver Mommsen, Tanja Wedhorn, Roman Knižka und Nicola Ransom
Regie: Folke Braband Bühne: Tom Presting Kostüm: Anna Meerwein
erst einmal wird geschrien. minutenlang. greg (oliver mommsen mit dem hundeblick) wird von steph (tanja wedhorn mit den eisblauen augen) attackiert. "du, arschloch"! das "verbrechen": greg hat gedankenlos stephs gesicht als nur "normal" bezeichnet, während kollege kent (roman knizka) ihm von der neuen scharfen kollegin vorgeifert, die, mit dem wahnsinns-gesicht (und dem wahnsinns-hintern). steph dreht nun auf und kriegt sich gar nicht mehr ein. ihre wut ist leider nur schwer nachzuvollziehen. die maßlosen beschimpfungen in richtung personal softie sind unverhältnismäßig, zumal sie selbst respekt einfordert, natürlich lautstark. mommsens hundeblick überträgt sich sofort auf seine rolle greg. der nun hinnehmen muss, dass die radikale steph ihn verlassen wird. wedhorn als radikale steph bleibt die kontrollierte zicke mit den prinzipien. auch wenn sie zwischendurch sehnsüchelt nach ihrem smartie, anhänglich wird. aber steph bleibt emotional konsequent, räumt die gemeinsame bude leer, stolziert in einem knallroten röckchen zu einem neuen date, protzt in richtung greg mit dem verlobungsring. der nimmt den lauf der dinge letzlich hin, zum kämpfer nicht wirklich geboren. und genau das zerreißt seine steph am ende. und das ist dann wirklich berührend. und wahr. doch es geht nicht nur um steph und greg, sondern auch um kent und carly (die vornamen aus der englischen vorlage von neil labute wirken seltsam. oder kennt jemand aus dem alltag einen kent, eine carly?). knizka muss jedenfalls den machokotzbrocken kent geben und kniet sich angespannt-unwohl in die rolle. natürlich muss er mal im pausenraum einen playboy aufklappen, über ärsche und schwänze dozieren. unterirdisch wird es, als er unbedingt aufs klo will und greg (und uns) darüber informieren muss mit dem bah-witz "ich muss mal einen neger abseilen". auch, dass er greg immer wieder anfährt als "schwuchtel", ist unangenehm und fördert eine geschmacklose sprachkultur. ich bin nicht zimperlich, aber die derb-dichte in "lieber schön" war mir zu heftig und der story auch nicht dienlich. wenn ich an die bitterbösen dialoge in "dämonen" an der schaubühne denke oder an die gefährlichen in "verrücktes blut" im gorki, diese waren in ihren grenzen authentisch, nachvollziehbar und damit wichtig. "lieber schön" in der komödie will irgendwie jung sein und frisch und modern und temporeich. und atmet dann doch konstruiertes drama. publikumsliebling mommsen trägt die geballten pärchenschmerzen tapfer und charmant durch die 100 minuten (eine pause), grenzt sich halbherzig von irgendwiedoch-ekel kent ab (kumpel oder nicht?), versucht carly und steph nicht (weiter) zu verletzen und ist somit der, dem man/frau folgen will in diesem doch aufgebauschten konflikt. neil labutes vorgänger "fettes schwein" hatte mich wirklich berührt, "lieber schön" schafft das nur ab und zu. auch in "eine familie" im theater nebenan ging es schon derb zur sache, so, dass man lieber flüchten möchte, weil es peinlich wird beim zuschauen statt intensiv. die neue offenheit am gemütlichen kudamm? um jeden preis?