Kritik
An dem neuen Rimini Protokoll-Abend, der mit 105 Minuten doch etwas kürzer als angekündigt ausfiel, ist vor allem die formale Herangehensweise interessant. Nach privaten Anekdoten der drei „Experten des Alltags“, die zum Einstieg mit Erklärbär-Frontal-Theater-Passagen garniert werden, scheint „Dies ist keine Botschaft (Made in Taiwan)“ in Richtung Agit-Prop-Theater abzubiegen. Das Trio gibt sich wild entschlossen, den Tabubruch zu wagen und das Haus der Berliner Festspiele, wenige Kilometer vom Regierungsviertel entfernt, zur Botschaft Taiwans zu erklären. Triumphierend enthüllen sie eine Plakette, diskutieren über Flagge und Hymne des neuen Staates und erklären, wie das bei den Olympischen Spielen gehandhabt wird, wo Taiwan den großen Nachbarn zuletzt im Badminton schlug.
Als dann Zuschauer*innen in der ersten Reihe von der Live-Kamera eingeblendet und als vermeintliche Außenministerin Annalena Baerbock oder Konzernchefs von VW und Biontech begrüßt werden, droht der Dokutheater-Abend läppisch zu werden. Doch natürlich ist diese Passage nur ein Spiel mit Klischees von Agit-Prop- und Mitmachtheater.
„Dies ist keine Botschaft“ nimmt souverän die Kurve und steigt in eine facettenreichere Betrachtung des Taiwan-Konflikts ein. Die Meinungsunterschiede und Risse im Trio werden deutlich: Wie ist der Staatsgründer und Maos Widersacher im Bürgerkrieg Chiang Kai-shek, der Taiwan bis zu seinem Tod nationalistisch und autoritär führte, aus heutiger Sicht zu beurteilen? Mit stumm hochgehaltenen „I Disagree“-Schildern dokumentieren sie die abweichende Meinung, während der/die andere spricht. Hier wird auch ein Generationenkonflikt markiert. Am stärksten hält sich die Firmenerbin und Musikerin zurück, sie begründet dies mit der Angst vor Konsequenzen für sich und ihre Familie (der global agierende Konzern wird hier nicht explizit angesprochen, ist aber sicher nicht nur mitgemeint) und vergleicht ihre unbequeme Situation mit Taiwans Lage an der Reibungsstelle tektonischer Platten, die oft zu Erdbeben führen.
Einigkeit herrscht beim Trio, dass man behutsam vorgehen sollte: sanfte Bewegungen wie beim TaiChi sollen schleichende Verbesserungen bringen, ohne den Apparat der VR China so zu provozieren, dass der befürchtete militärische Konflikt ausbricht. Dies hätte für die politische und ökonomische Lage weltweit verheerende Konsequenzen.
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