Zum Inhalt: Das Revuetheater ist wieder da! Fast schien es, als hätten die Nazis gesiegt. Das Revuetheater, jene queere Mischung aus Operette, modernem Boulevard, politischem Kabarett, Jazz und neuer Musik war das Genre, das wie kein anderes das Bild der „Goldenen Zwanziger“ in Berlin prägte. Doch diese hohe frühpostmoderne Unterhaltungskunst fiel den Nazis und ihrem antisemitisch-homophobem Hass zum Opfer. Die Künstler*innen mussten emigrieren, ihre Werke verschwanden und mit ihnen auch das Genre.
Bühne & Video: Julia Oschatz Kostüme: Adriana Braga Peretzki, Frank Schönwald Choreografie: Alan Barnes Dramaturgie: Ludwig Haugk Musikalische Einstudierung & Korrepetition: Mark Scheibe Licht: Jens Krüger Ton: Hannes Zieger Video: Jesse Jonas Kracht
Christian Weise grub „Alles Schwindel“ von Mischa Spoliansky und Marcellus Schiffer aus: in den Archiven ist zu lesen, dass die Uraufführung im Jahr 1931 ein großes Ereignis im Theater am Kurfürstendamm war. Marlene Dietrich reiste dafür extra aus Hollywood an, wo sie seit einem Jahr arbeitete. Der historische Hintergrund: Ihre Hauptrolle in Spolianskys früherem Stück „Zwei Krawatten“ diente ihr als Karriere-Sprungbrett, damals entdeckte sie Josef von Sternburg für „Der blaue Engel“.
In manchen Szenen erinnert Weises Inszenierung an Herbert Fritsch: viel Slapstick und Körperakrobaik, für die vor allem Jonas Dassler kurz vor Schluss Szenen-Applaus bekommt. Das große Hamsterrad kommt allerdings nur kurz nach der Pause in einer der besten Szenen zum Einsatz und steht zu lange ungenutzt im Hintergrund.
Die knapp drei Stunden sind eine launige Boy meets Girl-Geschichte, in der es nur so vor Schwindlern und Hochstaplern wimmelt. Das Publikum bekommt die erwartete nette Unterhaltung geboten. Satirischer Biss, wie er in Christian Weises „Othello“-Inszenierung noch zu spüren war, fehlt allerdings bei „Alles Schwindel“. Der braven Hommage fehlt die Schärfe. Auch ohne diese entscheidende Würze wird das Haus am Silvester-Abend voll sein.
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''Am eindrucksvollsten ist die Bühne von Julia Oschatz. Die Spieler sind hier wie im Innern einer Kamera gefangen, am hinteren Bühnenrand ist das riesige schwarze Rund der Linse zu sehen. Tut sich dieses Loch auf, schaut man in das Berlin der 1920er und 1930er Jahre: das Kempinski (als Comic-Zeichnung), Zille-Figuren, Gemälde aus der Zeit – eine tolle Bühnenerfindung. Die Schauspieler, alle weiß geschminkt, sehen in ihren gigantischen Fat-Suits aus wie bekleidete Marshmallows und schieben unentwegt schwarz-weiß bemalte Papp-Requisiten hin und her. Das ist schrill, überzeichnet, grotesk – eine ganz eigene Comic-Ästhetik.
Man hat also viel zu gucken, swingt mit der Musik und wird zumeist gut unterhalten. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.'' schreibt Barbara Behrendt auf kulturradio.de