MIT DOLORES HABT IHR NICHT GERECHNET Ein jüdisch-queeres Rachemusical
Regie: Tucké Royale Premiere: 26. Oktober 2017 (Uraufführung) Maxim Gorki Theater, Berlin
Zum Inhalt: Im Schoß des osteuropäischen Judentums kommen im frühen 20. Jahrhundert die Zwillinge Ida und Dolores zur Welt – vermeintlich als Mädchen und Junge. Nach der Deportation ihrer Schwester schlägt sich Dolores bis in die deutsche Hauptstadt durch. Im Untergrund des queeren Berlins lebend und mit gefälschten Papieren ausgestattet, wird sie im Wintergarten Varieté als Tänzerin gefeiert. Berühmt und begehrt für ihre schönen Beine, verschafft sie sich Zugang zu den Logistikern des Holocaust, um im Zentrum der Macht erbarmungslose Rache an den Nazis zu üben.
Mit Mathias Becker, Friedericke Miller, Oscar Olivo, Mehmet Yılmaz (Puppenspiel) und Ted Gaier, Yuriy Gurzhy, Angy Lord, Paula Sell (Musik)Spielleitung: Moritz Sauer
Regie: Tucké Royale Bühne / Kostüme / Puppen: Josa Marx Licht: Daniel Krawietz, Fritz Stötzner Dramaturgie: Tobias Herzberg Recherche / Künstlerische Mitarbeit: Mateus Szymanowka Produktionsleitung: Ehrliche Arbeit - Freies Kulurbüro
Das Studio Я kündigt ein „jüdisch-queeres Rache-Musical“ an. Autor/Regisseur Tucké Royale erwähnt in den Vorberichten Quentin Tarantino als eine Referenz des Abends.
Im Kopfkino rauscht sofort ein bunter Film ab: große Emotionen, schräge Songs, oszillierend auf dem schmalen Grat zwischen Glamour und Trash, herausgebrüllte Wut, viel Splatter-Ästhetik und Kunstblut. Kurz und knapp: „Roma Armee trifft Pulp Fiction“. Mit dieser Erwartungshaltung kamen wohl manche heute Abend zur Premiere von „Mit Dolores habt ihr nicht gerechnet“ in die kleine Studiobühne des Gorki Theaters.
Die kommenden zwei Stunden entwickelten sich deutlich anders: eine sehr minimalistische Ästhetik, die queerem Camp und Glitzer ganz bewusst ausweicht. Die Darsteller auf der Bühne sind demonstrativ in tristes Grau gehüllt. Auch die Maske, die Oscar Olivo in der Hauptrolle der jüdischen Revuetänzerin Dolores trägt, orientiert sich an klassischen, strengen Formen und meidet jeden Prunk.
Weiterlesen auf Das Kulturblog
''Auch die sog. Fareynikte Partizaner Organizatsye (FPO) mit ihren beiden jüdischen Aktivistinnen Rozka Korczak und Vitka Kempner könnte sozusagen Pate gestanden haben, ehe es zur dramaturgisch-stückeschreiberischen Aufbereitung von historisch ähnlichen bzw. nachempfundenen oder verfremdeten Persönlichkeitsgeschichten kam, die jenem Musical-Libretto von Tucké Royale und Johannes Maria Schmit zueigen waren.
Nein, wir haben alles das selbstredend, und bei allem guten Willen, nicht herausbekommen, ob und wie dann Ida & Dolores mit dem von uns arg Vermuteten in irgendeinen sinnstiftenden Grundzusammenhang zu bringen sind; da hättet ihr vom Gorki-STUDIO Я uns schon etwas mit Hintergrundwissen versorgen müssen, dass wir euren konzeptionellen Spleen will sagen eure künstlerische Ambition in Gänze hätten auch verstehen und (noch besser:) nachvollziehen können. Es gab kein Programmheft, nicht mal einen Info- und Besetzungszettel (mit den Quellen der vermeintlichen Originalzitate, beispielsweise); auch auf eurer Homepage war nichts Hilfreich-Weiterführendes zu finden - und die bloße Ankündigung eurer umfeldigen Podiumsdiskussion zum Thema "Holocaust, Sexualität, Stigma" brachte uns dann ebenso nicht einen Millimeter bei der Stillung unsers vor- wie nachträglichen Wissensdurstes zu dem weißgott hochinteressanten und auch emotional wahrlich berühren könnenden Stück-Stoffs voran.
Ein miserabeles PR.'' schreibt Andre Sokolowski - 31. März 2018 auf KULTURA-EXTRA