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Maxim Gorki Theater
www.gorki.de
Am Festungsgraben 2 - 10117 Berlin
Telefon: 030 202210
SPIELPLAN & KARTEN

Androgynous - Portrait of a naked dancer

Premiere: 18. Oktober 2025, Gorki Theater, 7. Berliner Herbstsalon

»Anita Berber lebte in unsicheren Zeiten, kurz vor dem Aufstieg des Nazi-Regimes.

Ich lebe in unsicheren Zeiten, kurz vor... ich weiß nicht was.

Vor hundert Jahren starb Anita in einem Krankenhaus in Kreuzberg. Sie war erst 29 Jahre alt.

Heute bin ich 31 und habe nicht vor, jung zu sterben.«

Androgynous. Portrait of a Naked Dancer. ist ein Projekt von Lola Arias in Zusammenarbeit mit River Roux, einer Performerin und Pole-Tänzerin. Zusammen mit Bishop Black und Dieter Rita Scholl tritt Roux in die Fußstapfen von Anita Berber und anderen legendären Figuren des Berlins der 1920er Jahre. Obwohl Berbers Leben kurz war, ist ihr Vermächtnis unvergessen: Mit ihren Performances, die von Geschlechterambiguität, Erotik, Horror und Ekstase geprägt waren, überschritt sie Normen. Dennoch wird ihr Wirken in der Berliner Gegenkultur oft auf Skandale reduziert. In einem Raum, der an einen Nachtclub und ein Kabaretttheater erinnert, verkörpern die Darsteller*innen ihre Alter Egos von vor hundert Jahren. Auf der Bühne rekonstruieren sie – mit Hilfe von Kritiken, Fotos, Stummfilmen und Polizeiberichten – Tänze und Performances, die für eine Gesellschaft, die gerade den Ersten Weltkrieg hinter sich hatte, radikal und provokativ waren. Was bleibt von diesen legendären Performances, die durch den aufkommenden Konservatismus am Ende der Weimarer Republik zensiert und verboten wurden? Wie können wir eine Kunst rekonstruieren, wenn wir nur wissen, was in Polizeiberichten steht? Wie viel von der Kunst, die wir heute schaffen, wird morgen zensiert und verschwunden sein?

Auf einer Zeitreise, die die Geschichten von Künstler*innen der 1920er Jahre mit den Lebenserfahrungen heutiger Nachtkünstler*innen vermischt, untersucht Androgynous. Portrait of a Naked Dancer. die komplexen Verflechtungen des Widerstands und stellt dabei die Rolle der Gegenkultur bei der Schaffung von Räumen der Fürsorge, des Dissenses und des kollektiven Überlebens in Krisenzeiten in den Vordergrund.

von Lola Arias
Uraufführung
Konzept: Lola Arias, River Roux, Recherche: River Roux, Bibiana Mendes, Kostüme: Tutia Schaad, Komposition: Katharina Ernst, Damián Noguera, Video: Stefan Korsinsky, Outside Eye: Johannes Kirsten, Dramaturgie: Bibiana Mendes, Bühne: Irene Ip, Choreografie: Colette Sadler, Livemusik: Katharina Ernst, Lichtdesign: Arndt Sellentin.


Mit: River Roux, Bishop Black, Dieter Rita Scholl.

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Lässiges Infotainment-Reenactment und Dokutheater sexpositiver Biographien
29 Tage her.
Kritik

Sowohl am Gorki Theater als auch an der Volksbühne tauchen argentinische Theatermacherinnen in die sexpositiven, wilden 1920er Jahre ein. Vom „Tanz auf dem Vulkan“ in der ihrem Untergang entgegentaumelnden Weimarer Republik erzählen Lola Arias in ihrem Reenactment „Androgynous. Portrait of a naked dancer“ und Constanza Macras in ihrer Revue „Goodbye Berlin“, die kurz nacheinander im Oktober Premiere feierten.

Die Gemeinsamkeiten der beiden Zwillings-Inszenierungen, die so unterschiedlichen Künstlerinnen ganz unabhängig voneinander erarbeiteten, sind frappierend. Dies beginnt schon mit dem tiefen Pessimismus, der beide Arbeiten durchzieht. Macras warnt davor, dass die offene Gesellschaft und ihre Lebenslust ein zweites Mal den Rechtsextremen zum Opfer fallen könnten. Die Kippmomente zwischen 1920er Nostalgie und KitKatClub-Gegenwart sind das Zentrum ihrer schillernden Revue. Genau so alarmiert ist River Roux, nonbinäre Performer*in, die den Gorki-Abend gemeinsam mit Arias konzipiert hat und trägt. Ganz ruhig wird es im Saal, als Roux davon spricht, dass Anita Berber, um deren Leben „Androgynous“ kreist, 1929 starb, kurz bevor die Nazis an die Macht kamen und viele ihrer Freunde/Weggefährten fliehen mussten oder ermordet wurden. Immerhin musste die Berber das nicht mehr erleben, seufzt Roux, und fragt sich, ob sie wohl bald um ihre Freundinnen und Freunde trauern wird.

Gemeinsam haben beide Abende auch die schillernden Kostüme, die fürs Gorki Tutia Schaad entwarf, und vor allem die artistisch-lasziven Poledance-Einlagen an beiden Abenden. Bei den Berliner Stadtmeisterschaften an der Pole könnte es zum Duell zwischen Campbell Caspary und River Roux kommen, die als Teil des „Berliner Strippers Collectives“ noch von René Pollesch an die Volksbühne geholt wurde und dort seit Januar 2025 auch ihr „Juice“-Solo im Roten Salon zeigt.

Und doch ist die Herangehensweise der beiden Inszenierungen, die Querverbindungen zwischen den 1920ern und 2020ern nachspüren, sehr verschieden: hier der assoziativ-überbordende Stil von Macras, der diesmal etwas weniger rasant von Motiv zu Motiv hetzt als ihre letzten Arbeiten, dort die dokumentarische Auseinandersetzung mit Biographien als lässiges Infotainment-Reenactment. Roux und ihre beiden Mitstreiter*innen, die ebenfalls nonbinäre Performer*in Dieter Rita Scholl, mit 73 Jahren Veteran*in der West-Berliner Schwulenbewegung, und der Gay-Performer Bishop Black kontrastieren die Annäherung an Anita Berber mit ihren persönlichen Lebenswegen, sprechen ganz offen über Sexarbeit, die Reaktionen des Umfelds auf ihre sexpositiven Auftritte und setzen sich immer wieder in Beziehung zu Berber, die neben Josephine Baker (in Kurzauftritt von Bishop Black verkörpert) die berühmteste Erotik-Tänzerin der 1920er Jahre war. 

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