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Maxim Gorki Theater
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Am Festungsgraben 2 - 10117 Berlin
Telefon: 030 202210
SPIELPLAN & KARTEN

Pop, Pein, Paragraphen

Bewertung und Kritik zu

POP, PEIN, PARAGRAPHEN 
Eine Deutschstunde von Cem Kaya feat. Ekİm Acun alias ŞOKOPOP
Premiere: 6. September 2024 
Maxim Gorki Theater, Berlin 

Zum Inhalt: 2024 feiert das Grundgesetz sein 75-jähriges Jubiläum – und damit die Maxime, dass die Würde eines jeden Menschen unantastbar sei. Im gleichen Jahr kommt es, kurz nach der Offenlegung des Potsdamer-Geheimtreffens zu Massendeportationsplänen, mit der neuen Asylreform zum massivsten Angriff auf das individuelle Recht auf Asyl, den es in der EU je gegeben hat – Gefolgt von einer Europawahl, in welcher der befürchtete dramatische Rechtsruck noch übertroffen wird.

2024 ist es auch rund 40 Jahre her, dass sich der 23-jährige Cemal Kemal Altun aus dem 6. Stock des Oberverwaltungsgerichts Berlin stürzte. Der politisch engagierte Student war 1980 nach West-Berlin geflohen, da er nach dem Militärputsch in der Türkei nicht mehr sicher war. In der BRD war ihm zwar politisches Asyl gewährt worden, aber das deutsche Innenministerium selbst hatte gegen diese Entscheidung geklagt – und die Militärdiktatur über Altun informiert. Diese sah daraufhin von der Todesstrafe ab, um für die BRD die Möglichkeit einer Abschiebung zu schaffen. So kam Cemal Kemal Altun trotz des laufenden Verfahrens in Auslieferungshaft und stürzte sich im erneuten Prozess vor laufenden Kameras aus dem Fenster. Sein Schicksal erzählt viel über den unmenschlichen Umgang der Bundesrepublik mit Asylbewerber*innen: Gute Beziehungen zu den türkischen Militärs wurden über den Schutz eines verfolgten Menschen gestellt.

Filmemacher Cem Kaya, bekannt für seine vielfach ausgezeichneten Dokumentationen wie Aşk, Mark ve Ölüm (Liebe, D-Mark und Tod), setzt sich in seiner Video-Lecture-Performance Pop, Pein, Paragraphen ausgehend von Cemal Kemal Altun mit Deutschland und dessen traditionsreicher Kollaboration mit Unrechtsstaaten auseinander. Kaya kompiliert und komponiert unterschiedlichstes Archivmaterial mit privaten Zeitdokumenten und erzählt performativ, schonungslos und mit bissigem Humor nicht nur die Rechtsgeschichte Deutschlands neu. Dabei zeichnet er nicht weniger als einen gesellschaftlichen Zustand, der weit über die damalige Zeit hinausweisend, erschreckend deutlich die Kontinuität eines Nährbodens für den nie weg gewesenen Faschismus aufzeigt. Eine ganz neue Deutschstunde also.

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Video-Fundstücke aus dem Zettelkasten
3 Monate her.
Kritik

Vier Jahrzehnte liegt ein besonders dunkles, kaum noch erinnertes Kapitel deutscher Asyl- und Rechtsgeschichte zurück: die damalige türkische Militärjunta verlangte die Auslieferung des 23jährigen Asylbewerbers Cemal Kemal Altun. Er nahm sich im August 1983 mit einem Sprung aus dem 6. Stock des West-Berliner Kammergerichts das Leben: an seinem Grab empörte sich sein Anwalt Wolfgang Wieland, späterer Grüner Justizsenator in Berlin, über rassistische Witze gegen Türken, der junge Abgeordnete Joschka Fischer las dem damaligen Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann (CSU) die Leviten.

Um Rassismus und Ausgrenzung kreisen auch die vielen weiteren Schnipsel der mehr als zwei Stunden: manches ist zum Schmunzeln, vieles erschreckend. Der Abend springt vor und zurück, landet in Seitensträngen und endet schließlich mit einer sehenswerten „Der Exorzist“-Parodie aus Kayas eigenem Frühwerk: 2004 kontrastierte er eine Parteitagsrede der damaligen CDU-Vorsitzenden Angela Merkel über „Leitkultur“ mit den Filmklassiker von William Friedkin.

Launig und satirisch endet dieser Schnipsel-Abend, der einige Anregungen und Denkanstöße bot, aber oft wie ein ausgeschütteter Zettelkasten mitten in der Arbeit an einem neuen Filmprojekt wirkte.

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