Kritik
''Auf der von Igor Pauška lediglich mit einem alten Sofa vor aufgeschlagener handbeschriebener Buchwand ausgestatteten Bühne spielt das Ensemble in romantisch düsteren Kostümen (Katrin Wolfermann) einige Szenen aus dem Roman. So erlebt das Publikum den pathetischen Tod der Mutter Frankensteins, aus dem der Wunsch des Wissenschaftlers (hier Nairi Hadodo als weiblicher Frankenstein) entsteht, für den trauernden Bruder William (Aithonas Avgoustakis) den Tod zu besiegen. Über Kate Strong (als Wesen) liegend und ihr Atem einhauchend stellt Hadodo den Schaffensakt dar. Weiter wird der Mord des Monsters an William gezeigt und die darauffolgende Gerichtsverhandlung, bei der die unschuldige Dienerin Justine (Via Jikeli) dafür zum Tode verurteilt wird. Dazu fährt ein Holy-Bibel-Sarg hin und her. Ein weiterer Handlungsstrang behandelt die Liebe der Adoptivtochter Elisabeth (hier Doğa Gürer als Genderswitch-Bruder Eli) zu ihrem Bruder Victor, die in einer Ehe mündet. Das alles wird mit ein paar Popsongs wie Motherless Child oder There Must Be an Angel zu Choreografien (Evelin Facchini) mit großen Puppenköpfen untermalt.
Das geht trotz großem schauspielerischen Engagement nicht schlüssig mit den biografischen Zwischenspielen zusammen. Erwähnt wird noch die Beziehung von Künstler Jeff Koons und der Pornodarstellerin Cicciolina (Ilona Staller). Beispiel für einen künstlerischen Schaffensakts, aus dem ein Kind aus Fleisch und Blut entstanden ist. Mehr noch scheint sich der Regisseur aber für seinen Weltschmerz zu interessieren. Die ursprüngliche Idee von Frankenstein als Metapher für die beiden Deutschlands, verschmolzen zu einem „monströsen Wesen“, wich dem Wunsch, Deutschland möge „einen langsamen und schmerzhaften Tod“ sterben. Politisch brisanter wäre das allemal gewesen. Frljić zieht lieber Parallelen von sich zu Mary Shelley vor allem in der schwierigen Beziehung zu den Eltern. Obwohl Shelley ihre Mutter schon nach der Geburt verlor und dann eine Steifmutter hatte. Am Ende der Inszenierung betont das Alter Ego des Regisseurs, dass er nicht der Sohn war, den seine Mutter wollte, und sie nicht die Mutter, die er brauchte. Da ist wie in Falk Richters Produktion Silence in der Schaubühne von Schweigen die Rede. Dazu hätte man schon sehr gern mehr erfahren.
Hier schießt sich Marc Benner zum Song Suicide Is Painless aus dem Kriegs-Film M*A*S*H mit einer Theaterpistole in den Mund. Nicht ohne zuvor noch die dem Roman vorangestellten Milton-Verse „Ersucht’ ich dich, o Schöpfer, mich aus/ Lehm zu einem Menschen zu schaffen?/ Bat ich Dich, aus ew’ger Nacht/ Mich zu erheben?“ zu zitieren. Adams Klage nach dem Sündenfall. Das bezieht sich hier aber eher auf die Klage Frljić‘, für das deutsche Theater seine künstlerische Integrität geopfert zu haben. Nachzulesen im Interview für das Programmheft. Mehr Pathos geht wirklich nicht.'' schreibt Stefan Bock am 23. März 2025 auf KULTURA-EXTRA