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Maxim Gorki Theater
www.gorki.de
Am Festungsgraben 2 - 10117 Berlin
Telefon: 030 202210
SPIELPLAN & KARTEN

Antigone

Bewertung und Kritik zu

ANTIGONE
nach Sophokles
Regie: Leonie Böhm 
Premiere: 16. April 2023 
Maxim Gorki Theater, Berlin 

Zum Inhalt: Am Ende sind fast alle tot. Antigone hatte sich dem Gesetz Kreons widersetzt und in einem Akt bedingungsloser Geschwisterliebe ihren Bruder Polyneikes begraben. Kreon, König von Theben und Antigones Onkel, verurteilte daraufhin seine Nichte zum Tod: »Wer den Freund für wichtiger erachtet als sein Vaterland, der ist für mich ein Nichts.« Doch als sein Sohn Haimon und seine Ehefrau Eurydike Antigone ins Grab folgen und er voll Verzweiflung übrigbleibt, muss er sich eingestehen: »ICH bin nichts weiter als ein Nichts.« Die Erkenntnis kommt zu spät, die Tragödie ist geschehen, der Systemwandel ausgeblieben. »So, we can’t save the world by playing by the rules, because the rules have to be changed. Everything needs to change and it has to start today.« Greta Thunberg

Leonie Böhm beginnt ihre Aneignung des antiken Klassikers in einem Moment, an dem noch nicht alles verloren ist. Gemeinsam mit dem Ensemble untersucht sie spielerisch, wie sich innere Fesseln abschütteln lassen. Wie ist ein für nachhaltige Veränderung notwendiger Bewusstseinswandel möglich? Wie können wir loslassen, was uns dabei im Weg steht, uns neu zu erfinden, neu zu verbünden?

Regie: Leonie Böhm 
Bühne: Zahava Rodrigo
Kostüme: Laura Kirst
Livemusik: Friederike Ernst
Lichtdesign: Lutz Deppe
Dramaturgie: Tarun Kade

2.0 von 5 Sterne
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Theatertherapie mit alten Texten
1 Jahr her.
Kritik

''Das Schauspielteam, zu dem auch noch Julia Riedler und Çiğdem Teke gehören, sucht dann den Kontakt zum Publikum. „Seht ihr uns? Wir wollen uns reizen, das zu zeigen, was lieber unangerührt in unserem Inneren bliebe.“ Das zieht sich hin. Eine ersichtliche Rollenverteilung gibt es nicht. Ziel soll wohl die Befreiung „aus unserem Felsenhaus“ sein. „Es gibt so viele Übel, die von unseren Vätern und Müttern gekommen sind, die uns nicht erspart bleiben. So viel Leid, so viel/ Angst/ Kränkung/ Scham/ Ohnmacht, die wir nicht selbst wieder erleben.“ heißt es da. Da muss jetzt was getan werden. Aber es bleibt im Großen und Ganzen beim lustigen auch mal selbstironischen Performen vom Überschreiten dieser Schamgrenzen, wozu dann irgendwann auch ein sattes Schlammbad gehört. Nackt oder angezogen, da darf das Ensemble wohl selbst entscheiden. Im Text dazu geht es ums Sterben, um die Angst vorm Alleinsein, um Schande, Fluch und Trauer. Da scheint immer mal wieder der alte Text durch, der ansonsten eher Fragment und Verhandlungssache bleibt.

„Du verstehst mi ned“, singt Julia Riedler. Das wird einem hier auch nicht gerade leicht gemacht. Das Team übt sich eher in Selbstbespiegelung, nur nicht wie man es aus anderen Stückentwicklung am Gorki kennt. Hier werden gegenseitig Wunden geleckt, es gibt eine Geburts-Performance und das gegenseitige Abwischen des Schlamms. Irgendwann steigt Çiğdem Teke kurz aus. „Schreien oder Schweigen/ Ich kann mich nicht entscheiden“, heißt der Song dazu. Da ist man aber selbst schon irgendwie ausgestiegen, während es auf der Bühne weiter „im Zickzack in die Scheiße“ geht. Leider ist das nicht mal unfreiwillig komisch. Der Versuch der theatralen Heilung auf der Bühne mag für therapeutische Zwecke durchaus geeignet sein, als Aufführung vor Publikum ist er eher uninteressant.'' schreibt Stefan Bock am 18. April 2023 auf KULTURA-EXTRA

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Anstrengende, nervige und ungemein anregende Neu-Interpretation
1 Jahr her.
Kritik

''Es geht Böhm und ihren sich um Kopf und Kragen redenden und Schamgrenzen niederreißenden Akteurinnen um zeitlose Aktualität: Der Kampf der Frauen gegen männliche Unterdrückung ist Metapher und Sinnbild für den Kampf gegen jede Form von Unvernunft, Chauvinismus und Tyrannei. Die Sprache pendelt deshalb auch zwischen gestern und heute, hohem Pathos und niederem Blödsinn.

Antigone hehres geflügeltes Wort: "Zum Hasse nicht, zur Liebe bin ich da" kommt genauso vor wie alberner Wiener Schmäh: "Du verstehst mi ned / I red und red, / i versuch zu erklärn. / I bin schon ganz hasrig, / mir fallt nix mehr ein: Wos soll jetzt werdn? / Egal was i sag, es is alles ned woa, / Du glaubst ma ka Wuat, du siehst es ned ein, / Und mir is zum rean. / I bin offn und ehrlich, wie seltn zuvua."

Wenn ich offen und ehrlich sein soll, würde ich sagen: Es ist eine anstrengende, manchmal auch nervige, aber auch ungemein anregende und aufregende Neu-Interpretation des alten Sophokles-Dramas, sie fordert viel Toleranz und Hingabe, gibt aber auch viel Stoff zum Nachdenken und Mitfühlen. Genau genommen ist es eine Inszenierung, die sich männlicher Kritik entzieht: Ein Grund mehr, jetzt inne und einfach mal den Mund zu halten.'' schreibt Frank Dietschreit auf rbbKultur

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Kindergeburtstag und freie Assiziationen zu Scham und Tod
1 Jahr her.
Kritik

Um Scham, das Übertreten von Normen, das Sterben und den Tod kreisen die Mono- und Dialoge der vier Spielerinnen: Eva Löbau und Julia Riedler, die schon in Matthias Lilienthals Münchner Ensemble dabei waren, und die Gorki-Spielerinnen Lea Draeger und Çiğdem Teke, begleitet von Fritzi Ernst am Keyboard.

In diesen nachdenklicheren Passagen kommt der eine Stunde und 45 Minuten lange Abend etwas zur Ruhe. Zwischendurch flechten die Spielerinnen auch ein paar Schnipsel aus der Tragödie von Sophokles ein, der berühmteste Satz („Ungeheuerlich ist vieles, doch nichts ist ungeheuerlicher als der Mensch“) wird an den mehreren Stellen eingefügt. Das Ensemble bediente sich aus mehreren Sophokles-Übersetzungen, manchmal weht sogar der archaische Klang der Hölderlin-Fassung in den Saal.

In diesen Momenten wird die Fallhöhe zum Rest des Abends besonders groß. Dann das zweite Markenzeichen von Leonie Böhms Klassiker-Verzwergungen ist ihre hemmungslose Albernheit. In bester Kindergeburtstag-Manier wälzen sich die Spielerinnen im Schlamm, reißen sich die Kleider vom Leib (nur Lea Draeger und die Keyboarderin ziehen hier für sich eine Schamgrenze) und beschmieren sich gegenseitig. Gleich zu Beginn lassen sie lange Spuckefäden auf die Gesichter der Mitspielerinnen klatschen und beziehen sich als Running Gag immer wieder darauf.

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