Zum Inhalt: Endlose Zeitschleifen, nicht enden wollende Busfahrten, Checkpoints und abgelegene Hotels, einsame WG-Zimmer, gelbgraue nahöstliche Ländlichkeit, zwielichtige Bars. In den kurzen Erzählungen der syrischen Journalistin und Autorin Rasha Abbas flackern Bilder von Orten ihrer alten und neuen Heimat auf. Es geht um die Unabgeschlossenheit von Krisenerfahrungen, um ein andauerndes Unbehagen und die trügerische Normalität eines Lebens im Krieg – aber auch um Traumlandschaften, Phantastereien, um alte und neue Erinnerungen.
Das Ensemble und Regisseur Sebastian Nübling entwickeln mit Künstler*innen aus den Bereichen Medienkunst, Architektur und Elektronischer Musik eine ganz eigene »Zusammenfassung von allem, was war«.
Regie: Sebastian Nübling & Ensemble Livemusik: Jessika Khazrik Bühne: Sebastian Nübling, Evi Bauer Kostüme: Joshua Reß Video: Qusay Awad Sound: Jessika Khazrik Licht: Christian Gierden Dramaturgie: Valerie Göhring Künstlerische Mitarbeit & Übersetzung: Sandra Hetzl
Obwohl sich der Schmerz des Bürgerkriegs und das Gefühl der Entwurzelung beim Neuanfang in der Fremde durch die Kurzgeschichten ziehen, ist der Ton der Miniaturen oft eher komisch als tragisch. Einige Figuren aus dem Bändchen, das im Microtext Verlag erschienen ist, haben Hausregisseur Sebastian Nübling und sein Ensemble herausgegriffen. Nur selten sind die assoziativ aneinandergereihten Passagen klar im Nahen Osten verortet: Dies ist zum Beispiel bei einem „Syria, Syria“-Klageruf der Fall oder in einer vom Palästinenser Karim Daoud präzise gespielten Miniatur über das übergriffige Verhalten eines ebenso fiesen wie schönen Polizisten an einem Checkpoint zwischen Beirut und Damaskus auf dem Weg zu seinem Geliebten.
Charakteristisch für die Abbas-Texte ist, dass sie den Schrecken ins Skurrile kippen lässt: ein abgeschlagener Kopf auf einem Blumentopf kam als Leitmotiv mehrfach vor. Von den 75 Minuten bleibt der Eindruck einer Fingerübung, in der Video und Tanz eine zentrale Rolle spielen und in der das Gorki Theater die Texte einer noch recht unbekannten syrischen Autorin und Journalistin vorstellt, die einen ungewöhnlichen Blick auf die Themen Flucht und Vertreibung wählt.
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''Für einen Augenblick sind Ort und Zeit klar. Wir sind im Berlin der Gegenwart. Ein Flüchtling mit Drogen im Blut muss sich vor den Behörden fürchten. Doch dann verwischt wieder alles. Wir rasen durch einen Alptraum, in dem es keine formale Logik gibt – genau wie im Buch. Doch während die Geschichten die Leser:innen sofort gefangen nehmen, lässt die Theaterversion merkwürdig kalt. Viel zu selten zeigt sie konkrete Situationen oder Figuren, die Szenenfolge hat etwas Beliebiges. Mal dröhnt Technomusik, mal flimmern Bilder, die aus Computerspielen stammen könnten, über eine Leinwand.
Eine Tänzerin präsentiert ein Solo, bei dem sie sich fünf Minuten rasend schnell dreht, auf den Boden wirft und über die Bühne rollt. Das sei ihre Zusammenfassung des Buches erklärt sie im Anschluss ebenso atemlos, wie unkonkret. Die Aufführung wirkt wie eine Materialsammlung. Jede und jeder bekommt eine Solonummer und darf drauflos improvisieren. Das sorgt für einige schöne Momente, bleibt aber insgesamt unbefriedigend – ein Alptraum ohne dramatische Kraft.'' schreibt Oliver Kranz auf rbbKultur