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Berliner Ensemble
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1984

Bewertung und Kritik zu

1984 
von George Orwell
Regie: Luk Perceval 
Premiere: 18. November 2023 
Berliner Ensemble 

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Zum Inhalt: Ob als Schüler auf einer Eliteschule, als Polizist, ob als Tellerwäscher, Journalist oder Kämpfer gegen das faschistische Franco-Regime in Spanien – George Orwell hatte Zeit seines Lebens ein präzises Gespür für autoritäre Verhaltensweisen und lehnte sie in jeglicher Form ab. "1984" erzählt satirisch überhöht und darin gleichzeitig wahrhaftig von einer Welt, in der sich der Drang von Wenigen nach totaler Macht durchgesetzt und strukturell verfestigt hat. In seiner Bearbeitung des Romans verfolgt der Regisseur Luk Perceval die widerständige Kraft zweier Liebenden unter den Bedingungen von allgegenwärtigem Misstrauen, propagandistischem Irrsinn und körperlichem Schmerz. Was steht hinter dem Streben nach totaler Macht? Und inwiefern ist die Ordnung, in der wir leben, ein Spiegel unser selbst?

Mit Paul Herwig, Gerrit Jansen, Pauline Knof, Oliver Kraushaar, Veit Schubert

LUK PERCEVAL Regie
PHILIP BUSSMANN Bühne
ILSE VANDENBUSSCHE Kostüme
RAINER SÜSSMILCH Musik
TED STOFFER Choreographie
RAINER CASPER Licht
SIBYLLE BASCHUNG Dramaturgie
ANNUNZIATA MATTEUCCI, HANNAH ROGLER, FRANZISKA WINKLER, ELLA KASTNER, PHILIPPA OTTO Chor

3.0 von 5 Sterne
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Über die Austreibung der Menschlichkeit
1 Jahr her.
Kritik

Sowieso war der besagte Teleprompter, außer dass er den fünf Darstellenden alle ihre aufsagbaren Texte vom Parkett aus mitlieferte, auch ein Teil der Ausstattung von Philip Bußmann (!), welcher sein Drehbühnenbild aus zwei sich zu einem spitzen Winkel nach hinten verjüngenden Mehrfachspiegelwänden baute, auf deren rückseitigen Holzgerippen körperliche und teils halsbrecherische Aktionen der Akteure (kopfüberhängend, beispielsweise) zu bestaunen waren.

Auch wurden von drei weiteren Frauen, welche ich als zusätzliche Julia-Multiplikantinnen wahrnahm, "polyphone Gesänge aus Italien und Korsika", die Annunziata Matteucci erforschte und zusammenstellte, zum besten gegeben; das war grandios gesungen und klang wunderschön; es gab dem deprimierend Aussichtslosen dieses insgesamt doch ziemlich depressiven Abends einen wohltuenden menschheitlichen Anstrich. (Das Programmheft wies dann allerdings und inkl. der Annunziata fünf statt drei Choristinnen, nämlich Ella Kastner, Hannah Rogler, Franziska Winkler, Philippa Otto, aus.)

Ich habe keine Ahnung, was mir dieses handwerklich durchaus gelungene Event rein menschlich bieten sollte. Meine schlechte Grundstimmung, mit der ich zur Premiere kam, verschlechterte sich noch mehr nach derselbigen.'' schreibt Andre Sokolowski am 19. November 2023 auf KULTURA-EXTRA

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Stimmen im Kopf des Getriebenen statt dystopischer Polit-Parabel
1 Jahr her.
Kritik

Ungewöhnlich ist die Lesart von Luk Perceval: er konzentriert sich weniger auf die Gesellschaftsbeschreibung als auf die Figur von Winston Smith. Bei Orwell ist diese Figur ein Mitläufer aus der „Äußeren Partei“, der die Aufgabe hat, historische Fakten in den Archiven so anzupassen, dass sie für das jeweilige Zeitgeist-Narrativ der Big Brother-Narrativ passen. Dieser Hintergrund spielt in der Inszenierung am Berliner Ensemble keine Rolle. Hier erleben wir Smith als eine hochgradig neurotische, verängstigte und verunsicherte Figur. Bis auf Julia (gespielt von Pauline Knof und drei Sängerinnen) sind alle anderen Figuren des Romans, selbst O´Brien, der ihn in eine Falle lockt und foltert, nur Stimmen im Kopf des auf vier Spieler aufgesplitteten Winston.

Vor Philipp Bussmanns Spiegelkabinett tastet sich das Quartett Paul Herwig, Gerrit Jansen, Oliver Kraushaar und Veit Schubert langsam an ihre Figur heran. Für ihren angststarr in die Ferne gerichteten Blick gibt es bald eine Erklärung: sie lesen den gesamten Text, den sie zum Teil chorisch, häufiger aber im Wechsel sprechen, vom Teleprompter im Rücken des Publikums ab.

In der ersten Hälfte betont Perceval das Tragikomische an Winstons Persönlichkeitsstruktur: wenn sich das Quartett unsicher an Julia heranmacht, werden die gehemmten Annäherungsversuche zur Slapstick-Nummer. Der „1984“-Abend scheint in ganz unerwartete Bahnen abzudriften, durchaus zur Freude großer Teile des vor sich hinglucksenden Publikums, das auf düstere Endzeit-Visionen eingestellt war.

Einen kleinen Gag gönnen sich Perceval und sein Team auch während der Pause: das Publikum kann entweder im Saal bleiben oder durchs Foyer flanieren. Vor der Indoktrination durch lange Polit-Monologe, die im bewährten Ping-Pong vom Teleprompter abgelesen werden und über Lautsprecher nach draußen übertragen werden, gibt es kein Entkommen.

In den abschließenden 45 Minuten nimmt der Abend dann doch noch den erwarteten Verlauf: Lichtstimmung und Erzählweise werden düsterer, das Quartett nimmt Anlauf für die große Konfrontation zwischen Winston und O´Brien.

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