Zum Inhalt: Girl meets Boy. Könnte man denken. Aber was passiert, wenn in dieser Begegnung nichts ist wie gelernt? Wenn „Girl“ nicht den gesellschaftlichen Erwartungen und Regeln entspricht, sondern vielmehr in ihrer Begegnung mit dem anderen Geschlecht und der sie umgebenden männlich dominierten Welt auf ihrer Individualität und Eigenständigkeit beharrt. Sie lässt sich nicht besitzen, nicht benutzen, nicht domestizieren – will sich nicht fortpflanzen, nicht heiraten und auch ihr Sex gehört ihr. Alice Birchs Stück "Revolt. She said. Revolt again." ist ein feministisches Manifest in vier Akten und stellt auf höchst unterhaltsame Weise den Status Quo vom Verhältnis zwischen Frau und Mann in Frage.
Die Grande Dame der österreichischen Literatur, Marlene Streeruwitz, hat ein entschieden feministisches und gleichermaßen politisches Theaterstück für das Berliner Ensemble geschrieben. "Mar-a-Lago." verhandelt Bilder heutiger Weiblichkeit, Emanzipation und weiblicher Selbstbehauptung. Dabei seziert Streeruwitz radikal den weiblichen Blick auf den Prinzen, den rettenden, beschützenden Mann und erzählt von Macht und Ohnmacht. Fünf Frauen unterschiedlichen Alters treffen auf den weißen, den geliebten Mann und setzten sich in 5 Stationen mit bösem Witz und großer Komik mit den Mechanismen und Klischees patriarchaler Strukturen auseinander.
Regie: Christina Tscharyiski Bühne/Kostüme: Verena Dengler, Dominique Wiesbauer Künstlerische Beratung: Clara Topic-Matutin
Der Besetzungszettel war vielversprechend: allen voran die beiden Gäste Anita Vulesica, die bis 2017 am Deutschen Theater Berlin engagiert war und als eine der besten Komödiantinnen auf den Bühnen der Stadt in bester Erinnerung ist, und Astrid Meyerfeldt, die von 1992 bis 2008 eine prägende Volksbühnen-Spielerin war und zuletzt bei Armin Petras am Schauspiel Stuttgart arbeitete.
Allerdings stellt sich schnell Ernüchterung ein. Die erste Szene ist ein frecher Sex-Talk zwischen Vulesica und Nathan, in der die beiden die Frage verhandeln, wer den aktiven Part übernehmen darf, welche Grenzen nicht überschritten werden dürfen und wer wen penetriert. Dies ist einer der raren Momente, in denen Anita Vulesica ihr Talent wirklich ausspielen darf. Etwas mehr Freiräume bekommt oder nimmt sich Meyerfeldt, die eine kleine Prise Volksbühnen-Hysterie á la Pollesch einbringen darf.
Der zweite Teil hätte eine gallige Satire über fünf Schauspielerinnen werden können, die in Brautkleidern und mit türkisfarbenen Perücken vor der Tür und Besetzungscouch des Regie-Gurus Schlange stehen, der jede von ihnen nur respektlos „Mümmi“ nennt. Sie hoffen alle darauf, in seinem neuen „Projekt“ über Maos Witwe wieder damit dabei sein zu dürfen und müssen sich eingestehen, dass ihr als Künstlergenie verklärtes Idol sie nur gegeneinander ausgespielt hat.
Streeuwitz macht sich über ihre halbherzigen Protestversuche, über ihr Schönreden und ihre Lebenslügen lustig. Als kurze Intervention hätte diese Satire gut funktionieren können. Für zehn, fünfzehn Minuten lässt der Abend sein Potenzial aufblitzen, aber auch dieser zweite Teil versandet.
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''Unterhaltsam und komisch ist diese erste Stunde durchaus. Und wer weiß – vielleicht hat Tscharyiski bei den jungen Zuschauerinnen mit Feministen-Rap, aktivistischen Superheldinnen und bunter Werbebildflut einen Nerv getroffen. Verhängnisvoll wird dieser Inszenierungsstil erst in der zweiten Stunde, in der die Uraufführung von Marlene Streeruwitz' Stück "Mar-a-lago." auf dem Plan steht. Der Text, der nach Donald Trumps Florida-Residenz benannt ist, entstand als Auftragswerk fürs Berliner Ensemble – und beinhaltet abgesehen vom Titel zum Glück keine expliziten Trump-Verweise. Doch zusammen mit dem Untertitel "Oder. Neuschwanstein." legt er nah, dass es hier um mächtige Männer mit großen Egos geht. (...)
Die Regisseurin aber zieht ihr Programm aus Teil Eins weiter durch, setzt auf Slapstick, bunte Bilder und Ironie und kriegt auch diesmal die Zwischentöne nicht in den Blick. Fünf als weiße Bräute verkleidete Spieler stehen mit denselben Pagen-Perücken auf der Bühne und geben die Damen mit gespieltem Pathos und großen Gesten als lächerlich weinerliche, hysterische und exaltierte Diven. Später stecken ihre Köpfe in einer überdimensionalen pinken Anti-Trump-Pussi-Mütze und proben den Protest – auch das natürlich nichts als ein großer Lacher.
So wenig Empathie für ihre Geschlechtsgenossen hätte man einer jungen Regisseurin gar nicht zugetraut. Auch mehr echtes Selbstbewusstsein und Haltung statt nur cooler, ironischer Pose hätten dem Abend unbedingt gut getan.'' schreibt Barbara Behrendt auf kulturradio.de