Zum Inhalt: Ein Brief! Ein Brief soll am Ende über Leben und Tod entscheiden? Der Präsidentensohn Ferdinand von Walter liebt das Bürgermädchen Luise Miller. Gegen diese Liebe hat Präsident von Walter einiges einzuwenden: Der Sohn soll lieber Lady Milford heiraten, die Geliebte des Fürsten. Gemeinsam mit Ferdinands Nebenbuhler, dem Sekretär Wurm, schmiedet er einen Plan gegen Luise, um seine Karriere doch noch voranzubringen – die Grenzen überschreitende Liebe stellt sich dem Selbsterhaltungstrieb der Mächtigen in den Weg, doch die gehen schlussendlich über Leichen, um ans Ziel zu kommen. Schillers 1782 auf der Flucht verfasstes Panorama einer Ständegesellschaft steht in krassem Gegensatz zu einer immer transparenten, ewig kommunizierenden Moderne, in der jede Erfahrung möglich ist, aber auch beliebig zu werden droht. Die erste Liebe, das schwierige Verhältnis zu den Eltern und im Grunde deren ganzer Generation, die zerbrechlichen Bilder einer (gemeinsamen) Zukunft: das alles wird geteilt und bejaht. Wie schauen wir heute auf Schillers Welt mit ihren absoluten Gefühlen und klaren, starren Regeln?
mit Clara Fritsche, Luisa Grüning, Noelle Haeseling, Anna-Sophie Hüttl, Gloria Iberl-Thieme, Jonathan Kempf, Felix Mayr, Noah Saavedra, Theo Trebs
Regie: Christian Weise Bühne, Kostüme: Paula Wellmann Musik: Jens Dohle Sounds: Butch Warns Dramaturgie: Sascha Hargesheimer
''Tatsächlich macht der Regisseur wahr, was in der Ankündigung steht. Das Spiel läuft als Livestummfilm, der Text über ein digitales Anzeigenband. Einzig der männliche Held Ferdinand (Noah Saavedra) bekommt ein paar piepsige Sätze, die er meist mit Erstaunen, dass er überhaupt eine Stimme hat, von sich gibt. Alle anderen bleiben stimmlos und der Blick geht unweigerlich immer wieder nach oben. Das ist insbesondere für die arme Luise (Noelle Haeseling) recht schade. Sie darf nur still schmachten und muss sich stumm den Avancen des schmierigen Sekretärs Wurm (Luisa Grüning), der sie mit lizzardartiger Zungenbewegung bedrängt, erwehren. Farblich unterscheiden sich die Spielebenen in Schwarz-Weiß bei Millers, Schwarz-Grün beim im Fatsuit steckenden Präsidenten und Bonbon-Pinkfarben im Palais der Lady Milford. Musik, akustische Akzente und Geräusche kommen vom Live-Musiker Jens Dohle, der links am Keyboard sitzt.
Das ist für die erste halbe Stunde sogar recht originell und witzig. Es gibt viel Slapstick, Pantomime und Grimasse. Die Masche erschöpft sich allerdings zusehends, besonders die Szenen bei der Milford ziehen sich akustisch unterstützt schon etwas in die Länge. Schöne Momente gibt es mit dem sich vor Eifersucht und Rachedrang in einen stummen Schrei und einer Jagd nach dem vermeintlichen Widersacher von Kalb (Theo Trebs) hineinsteigernden Ferdinand. Man wartet aber nach dem Austausch von Intrigen und erpressten Briefen (groß, mit Herzchen verziert) doch schon etwas auf die verhängnisvolle Limonade, die dann auch noch mit theatralischer Sterbeszene folgt.
Zuvor müssen die DarstellerInnen allerdings noch kurz aus ihren Rollen heraustreten und in echtem Namen irgendwas Witziges über ihre erste Liebe verkünden. Leider etwas banal, dieser eingeschobene persönliche Striptees, der die Story mit Aktualität aufladen und aus der Theatermottenkiste befreien soll. Nur wozu das Ganze? Für ein paar nette Regieeinfälle rein zur Belustigung des Publikums und der Erprobung studentischer Schauspielfähigkeiten lohnt die Mühe kaum. Das letzte Wort hat der Mops der Lady, der aber auch nicht so recht weiß, was das eigentlich soll. Oder frei nach dem alten Miller: Mit so viel Geld lässt sich, weiß Gott, ein trefflich Bubenstück anspannen.'' schreibt Stefan Bock am 13. Januar 2018 auf KULTURA-EXTRA