„Hairspray“, das mit 31 internationalen Preisen ausgezeichnete und damit eines der weltweit erfolgreichsten Musicals aller Zeiten, befindet sich gerade auf Tournee und wir waren am Freitag, den 27. April 2018, Zeuge des Kultmusicals, das auf dem gleichnamigen Kultfilm (1988) von John Waters mit John Travolta basiert.
Doch wovon handelt das weltbekannte Musical?
Wir befinden uns im Baltimore des Jahres 1962. Die mollige Schülerin Tracy Turnblad hat nur einen Traum: Sie möchte einer der Stars in ihrer Lieblingssendung „Die Corny Collins-Show“ werden, in der auch ihr Schwarm, Sänger Link Larkin, auftritt. Aus diesem Grund geht sie zu dem offenen Casting der TV-Show. Doch viele Probleme stehen Tracy noch bevor: der Widerstand ihrer überfürsorglichen Mutter Edna Turnblad, die Ablehnung durch die strenge Produzentin Velma von Tussle und die Beziehung von deren Tochter Amber mit Link Larkin. Und als wäre das alles nicht genug, wird sie Zeugin der unfairen und alltäglichen Rassentrennung.
Schafft es Tracy, trotz aller Hindernisse ihren Traum zu verwirklichen und sich dabei trotzdem treu zu bleiben?
Die Hauptfigur des Musicals, Tracy Turnblad, muss man sofort in sein Herz schließen. Voller Optimismus und Lebensfreude kämpft sie nicht nur für ihre Liebe zu Link Larkin, sondern auch gegen alltägliche Vorurteile gegenüber übergewichtigen Menschen und gegen die zur damaligen Zeit in den USA präsente Rassentrennung. Beatrice Reece verkörpert hervorragend die Rolle der lebensbejahenden Tracy, die eine enge Beziehung zu ihren Eltern hat und niemals ihren Mut verliert, egal wie ausweglos die Situation zu sein scheint.
Neben Tracy gehört die Rolle der Edna Turnblad, perfekt umgesetzt von Uwe Kröger, zu meinen Lieblingscharakteren im „Hairspray“. Edna ist eine liebende Mutter und Ehefrau, die ihre Tochter vor einer öffentlichen Erniedrigung beschützen und deswegen ihr die Teilnahme am Casting verbieten möchte. Doch später unterstützt sie Tracy in allen Belangen, schließlich musste auch sie früher ihren Traum (Designerin) begraben und will ein ähnliches Schicksal ihrer Tochter ersparen. Liebe gepaart mit der notwendigen Dominanz, dies alles erkennt man in der Darstellung des Uwe Kröger.
Die Beziehung zwischen Tracy und Edna ist nur eine von vier Mutter-Tochter-Beziehungen im Musical. „Mama ich bin nicht mehr klein“ - das Lied der drei Töchter Tracy, Amber und Penny steht für die Emanzipation und Rebellion der Töchter und zeigt die Angst der Mütter vor dem zu schnellen Erwachsenwerden ihrer kleinen Prinzessinnen.
Während die Beziehung von Tracy und ihrer Mutter von Liebe und Unterstützung geprägt ist, sieht die Beziehung der Antagonistinnen Amber und Velma von Tussle Velma ganz anders aus. Die ehrgeizige und verbissene Ex-Schönheitskönigin Velma von Tussle, fantastisch gespielt von Isabel Varell, setzt ihre eingebildete und zickige Tochter Amber (eine sehr gute Besetzung mit Maja Sikora) permanent unter Druck und will aus ihr einen TV-Star machen. Beide Frauen zeichnen sich durch Vorurteile gegenüber molligen Menschen und Afroamerikanern aus und verfügen über keine Empathie.
Die quirllige Penny Pingleton (Devi-Ananda Dahm), Tracys beste Freundin, hört zum Missfallen ihrer Mutter, Prudy Pingleton, die „falsche“ Musik und verliebt sich dann auch noch in einen Afroamerikaner. Doch als ihre Mutter sieht, wie glücklich ihre Tochter ist, gibt sie ihr ihren Segen.
Devi-Ananda Dahm repräsentiert mit der Figur Penny Pingleton die Freundin, nach der wir uns alle sehnen: loyal und immer für einen da.
Angela Hunkeler hat mich mit ihrer Darstellung von gleich mehreren Figuren an dem gestrigen Abend begeistert. Egal, ob als Mutter Pingleton oder als rassistische Sportlehrerin, die weiße Schüler eindeutig bevorzugt, oder Gefängnissufseherin, in jeder Rolle geht die Darstellerin auf.
Die Inbegriff einer perfekten Mutter ist für mich Motormouth Maybelle, die ihre beiden Kinder zur Toleranz und Eigenständigkeit erzogen hat. Monica Lewis-Schmidt überzeugt in dieser Rolle und als Sängerin mit einer sehr kraftvollen Stimme.
Überhaupt ist die Musik von Mark Shaiman mit den Liedtexten von Scott Whittmann und Mark Shaiman (deutsche Fassung von Heiko Wohlgemuth) perfekt auf diese Geschichte abgestimmt. Der musikalische Mix aus Motown, Rhythm and Blues und Rock’n’Roll lädt den Zuschauer zum Mitgrooven und Mittanzen ein und transportiert die Lebensfreude der Hauptfigur auf die Zuschauerränge und das trotz der schwierigen und noch heute aktuellen Themen Rassentrennung, Vorurteile gegenüber Menschen, die nicht dem gängigen Schönheitsideal der Medien entsprechen, und die oberflächliche Mediengesellschaft.
Mein Fazit: Das Musical „Hairspray“ bleibt auch auf dieser Tournee ein Kult, denn die Darsteller sind sehr passend ausgesucht, die Musik ist funky und die Botschaft so aktuell wie nie zuvor. Egal, ob dick oder dünn, ob weiß oder schwarz - das alles spielt keine Rolle, denn jeder von uns verfügt über ein unglaubliches Potenzial. „Niemand stoppt den Beat“, solange wir alle zusammenhalten. Das Musical läuft noch bis Sonntag, den 29. April 2018, im Admiralspalast Berlin und zieht danach nach München weiter.
© E. Günther ("Mein Event-Tipp")