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    Schaubühne am Lehniner Platz
    www.schaubuehne.de
    Kurfürstendamm 153 - 10709 Berlin
    Telefon: 030 890023
    SPIELPLAN & KARTEN

    Wer hat meinen Vater umgebracht

    Bewertung und Kritik zu

    WER HAT MEINEN VATER UMGEBRACHT (Qui a tué mon père) 
    von Édouard Louis
    Regie: Thomas Ostermeier
    Premiere: 9. September 2020 (Théâtre de la Ville, Paris) 
    Deutschland-Premiere: 7. Oktober 2021 (FIND) 
    Schaubühne am Lehniner Platz, Berlin 
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    Zum Inhalt: »Meine ganze Kindheit über hoffte ich, Du  würdest verschwinden.« – Der Abscheu vor seinem gewalttätigen, trunksüchtigen, rechtsradikalen  Vater, dessen homophobe Wutausbrüche ihn als schwulen Heranwachsenden in der französischen  Provinz fürs Leben traumatisierten, sitzt  bei Édouard Louis tief. Doch wenn der französische Autor in seinem jüngsten Text seinem heute  schwerkranken Vater gegenübertritt, hat sich  die Wut zu Mitgefühl gewandelt: Der scheinbare Täter ist zum Opfer geworden. Sein Hang zur  Gewalt erscheint nunmehr als Konsequenz einer kontinuierlich erlittenen Demütigung und sozialen Gewalt. Ausgehend vom zerstörten Körper seines  Vaters unternimmt Louis den Versuch einer widerständigen Neuschreibung der jüngsten politischen und gesellschaftlichen Geschichte  Frankreichs. Es ist die Chronik eines sukzessiven Mordes, einer vorsätzlichen Verstümmelung  durch neoliberale »Reformen«, ihrer Brutalität gegenüber all den Arbeitenden, die deren Folgen am eigenen Leib erleben müssen – und zugleich eine intime Liebeserklärung an einen Menschen, der es einem fast unmöglich macht, ihn zu lieben.

    Mit: Édouard Louis

    Regie: Thomas Ostermeier
    Video: Sébastien Dupouey, Marie Sanchez
    Bühne: Nina Wetzel
    Kostüme: Caroline Tavernier
    Musik: Sylvain Jacques
    Dramaturgie: Florian Borchmeyer
    Produktion/Dramaturgie: Elisa Leroy
    Licht: Erich Schneider

    3.7 von 5 Sterne
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    Sehnsuchtsvoller Blick auf ein schwieriges Verhältnis
    3 Jahre her.
    Kritik
    In seinem minimalistischen, dennoch sehr berührenden Solo-Abend erzählt Èdouard Louis von seinem zerrütteten Verhältnis zu seinem Vater. Von seinem kleinen Schreibtisch, der zugleich als DJ-Pult, Ort zum kurzen Innehalten und Requisiten-Ständer dient, blickt Édouard Louis immer wieder nach links zu dem leeren Sessel, in dem nur die Wolldecke an den abwesenden Vater erinnert. Der autobiographische Essay „Qui a tué mon père/Wer hat meinen Vater umgebracht?“ wurde in den vergangenen Jahren schon mehrfach für die Bühne adaptiert, zuletzt als zweiter Teil des „Eddy-Projekts“ in der Wabe im Prenzlauer Berg. Im vergangenen Jahr erarbeitete der französische Autor gemeinsam mit Schaubühnen-Intendant Thomas Ostermeier eine Bühnenfassung, die bereits zwischen den beiden Corona-Lockdowns in Paris Premiere hatte und als Highlight des zweiten FIND-Festival-Wochenendes auch erstmals in Berlin zu sehen war. In seinem Pokémon-Shirt wirkt Louis schlaksig und zerbrechlich, mit geradezu kindlicher Freude stürzt er sich in die Tanzeinlagen der Popsongs seiner Kindheit. In kurzen Augenblicken sind bisher ungekannte Facetten des meist so ernst auftretenden Schriftsteller-Jungstars zu erahnen: ein ausgelassener Èdouard Louis, wie ihn seine engsten Freunde erleben und wie ihn ein Porträt im Wiener „Standard“ vor kurzem beschrieb. Weiterlesen
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    Mentalitäten und Männlichkeitswahn
    3 Monate her.
    Kritik

    ''In der Aufführung erklärt Louis, dass sein Vater selbst unter einem gewalttätigen und alkoholabhängigen Vater und einer Kindheit in Armut litt. Sein Vater war stolz darauf, sich nicht den Regeln wie der disziplinierenden Schule zu unterwerfen und Widerstand gegen verkörperte Autorität zu leisten. Am Ende der etwa neunzigminütigen Performance drückt Louis eine allgemeine Politikverdrossenheit aus und formuliert einen recht konfusen Revolutionsgedanken.

    Seine Anklagen gegen den französischen Präsidenten Emanuel Macron und dessen Vorgänger, François Hollande, Nicolas Sarkozy oder Jacques Chirac wirken vermessen und arg polemisch. Louis’ Werfen von Knallfröschen auf deren Fotos, die er zuvor im angedeutetem Rächer-Kostüm auf eine Wäscheleine hängte, erscheint gegen Ende naiv, hilflos und trashig.

    Einer bemängelten Kluft zwischen Besitzenden und Mittellosen wird mit derartiger Larmoyanz nicht beizukommen sein. Oder möchte Louis sich und seine Familie hier tatsächlich auf einen Opferstatus festlegen. Er erklärt mit Blick auf seinen Vater:

    „Du warst ebenso das Opfer der Gewalt, die du ausübtest, wie derjenigen, der du ausgesetzt warst.“


    Letztlich kreist die Aufführung, welche die Textvorlage stark kondensiert, wenigstens passagenweise recht hellsichtig um die Komplexe Beschämung, Familie und soziale Brutalität in einer homophoben Gesellschaft.'' schreibt Ansgar Skoda am 30. Mai 2024 auf KULTURA-EXTRA

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    Schlicht und ergreifend echt
    3 Jahre her.
    Kritik
    ''Als Literatur kann man Louis’ schmalen Essay kaum bezeichnen – zu holzschnittartig die Art und Weise, wie er darin angesichts des Schicksals seines Vaters die Politik auf die Anklagebank setzt. Der 90-minütige Theaterabend aber lebt von genau dieser Zuspitzung. Am Ende hängt Édouard wie ein kleiner Junge in Zorro-Umhang und schwarzer Augenmaske die Fotos der Verbrecher an einer Wäscheleine auf, die seinen Vater umbringen – und wirft die beste Kinderwaffe auf sie: Knallerbsen. Jacques Chirac hängt hier, weil er für den Vater benötigte Medikamente von der gesetzlichen Krankenversicherung gestrichen hat. Nicolas Sarkozy, weil er kranke Menschen wie den Vater zur Arbeit gezwungen hat, wenn sie ihre Sozialhilfe bekommen wollten. François Hollande, weil er unbezahlte Überstunden erlaubt hat. Emmanuel Macron, weil er den ärmsten Franzosen weitere fünf Euro aus der Tasche zieht und behauptet, das wäre doch nichts. Hier steht der echte, aufrichtige Sohn, der von seinem echten, kranken Vater spricht und reale Politiker anklagt – schlicht und ergreifend.'' schreibt Barbara Behrendt auf rbbKultur
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