Kritik
krankenhausweiße wände, eine junge frau schreibt mit bunter kreide an die wände und erklärt damit plakativ die raumsituation. zwischendurch hört man eine exzentrische geige spielen. mehr performance wird es nicht geben. ostermeier, der intendant der schaubühne, konzentriert sich nur auf die vorlage von arthur schnitzler. die er mit 2.45 stunden angesetzt hat (ohne pipipause wie im kudammtheater). seine kult-inszenierung „hamlet“ mit schaubühnenprinz eidinger strotzte nur so vor extrovertiertheit, ob diese neue ruhe bannen kann? jörg hartmann, der tatort-kommissar faber als zerquälten sturkopf interpretiert, ist der jüdische prof. bernhardi. ein entschlossener, ruhiger arzt, der seine überzeugungen klar vertritt. und dann spinnt sich das drama zusammen. eine junge frau liegt im sterben und halluziniert glückseligkeit, doch der junge pfarrer wurde schon gerufen um sie seelisch zu erlösen. bernhardi ist strikt dagegen, doch eine beflissene krankenschwester hat der patientin die ankunft mitgeteilt und ungewollt einen schock ausgelöst, den tödlichen. bernhardis entschluss im sinne der sterbenden patientin wird noch auf ihn zurückfallen. man interpretiert vorsätzlich die begegnung des pfarrers mit dem arzt als heftigen zusammenprall von christen- und judentum. das thema anitsemitismus keimt. und die maschinerie der von geldern und sponsoren abhängigen privatklinik setzt ein. wer ist freund, wer feind, wer will seinen einfluss steigern, wer wird zum wichtigen zeugen? das groß aufgestellte und authentisch agierende ensemble hat ostermeier in seinen ihm eigenen fluss gebracht. so erzählt sich die politisch zündelnde geschichte reigen. allerdings kocht kein konflikt wirklich hoch. die taktiererei der verschiedenen kontrahenten vermeidet einen spannenden ausbruch. auch bernhardi bleibt besonnen, wenn er auch fassungslos ist. hans-jochen wagner, der im tv an der seite von kommissarin heller den nervenstarken partner gibt, und souverän wie hartmann spielt, ist hier prof. flint aus dem gesundheitsministerium. der windet sich, kann seinen früheren freund nicht unterstützen und bleibt dabei, seine eigenen interessen zu begründen und zu verfolgen. in der schluss-sequenz wird ein geschmeidiger christoph gawenda als ministerialrat winkler, büro flint, der finale gegenpart zum ratlosen bernhardi, der sogar ins gefängnis musste. winkler kann die entscheidung verstehen, glaubt aber nicht daran, dass man jemals alles richtig machen kann. mit diesem vernunftorientierten kommentar endet ein interessanter abend, dessen regie den spannungsbogen halten konnte, auch wenn dieser nicht so fesseln wollte.
@ schaubühne: inszenierungen von mehr als zweieinhalb stunden sind in diesem kompakten theater auszuhalten, da man hier einen angenehmen komfort erwarten kann. die nüchterne bestuhlung ist für erwachsene tauglich und durchaus bequem. da die zuschauerreihen wirklich ansteigen, ist überall gute sicht garantiert. über die akustik lässt sich streiten, auch über den zustand der toiletten, aber diese sind wenigstens zahlreich und man kann gratis auch noch schnell seine sachen in metallene schränken verstauen. auch die tafel für übertitel war so installiert, dass ein mitlesen störungsfrei möglich war. all diese faktoren sind nicht unwichtig, wenn man ins theater stiefelt und einen abend lang in diese welt eintauchen will!