Einen sehr fröhlichen Einblick hinter die Bühne gewährte das Rambazamba – Theater mit dem Stück „Der nackte Wahnsinn“ von Michael Frayns aus dem Jahre 1982. Das Stück zeigt uns, im Gegensatz zu dem, was das Publikum zu sehen bekommt, einen Blick in die echte Welt der Theaterleute, nämlich in die Welt der zermürbenden Proben, hinter die Bühne.
Schwierigkeit des Stückes zunächst, wie unterscheidet man die beiden Welten, vor und hinter der Bühne? Das RambaZamba-Team mit Jakob Höhne (Regie) und Beatrix Brandler (Bühne) hat sich hier etwas Gutes einfallen lassen, im Probenraum sind die Spieler mit Gesichtern zu sehen, auf der Bühne nie. Dort treten sie zu Beginn als Türen und am Ende mit Masken auf.
Ordnen sich zu Formationen, stolpern und fallen
Als Einstieg in das Stück wird dem Publikum ein Tanz vieler bunter Türen geliefert, wie im Schwarzlicht-Theater, Türen sind verschieden leuchtend angestrahlt und Spieler, die unsichtbar bleiben, tragen diese vor dunkler Bühne vor sich her und lassen sie tanzen. Dann versuchen sie sich irgendwo reinzudrängen, reinzupassen, rennen herum, suchen ihren Platz, ordnen sich zu Formationen, stolpern und fallen. Der in bunter Leuchtfarbe orange, gelb, lila, hellgrün angestrichene Türenreigen wird flugs zu einem Bild der Welt, die Türen stehen für den uniformen Menschen, der sich anpasst, einpasst oder stürzt.
Regisseur köstlich hysterisch
Dann Szenenwechsel ins Helle und man ist im Geiste hinter der Bühne, die Türen stehen wieder unbeweglich und weiß, in Reih und Glied fest in ihrer Wand und markieren nur den Auf und Abgang. Dafür sieht man einen Regisseur (köstlich hysterisch Stefan Urbanski) der anordnet, befiehlt, herumschreit und sich selbst und seinem Begehren junger Theatermädchen die meiste Aufmerksamkeit widmet. Er lässt eine Spielerin (einen Mann im Frauenkleid), die eine Art Diva gibt, immer nur einen absurden Satz wiederholen, der ihr selbst vollkommen widerwärtig ist, was durch Körperhaltung und Mimik köstlich karikiert ist.
Spieler reagieren mit Seitenhieben
Keiner versteht sich mit dem anderen, keiner ist bei der Sache, aber jeder findet, er bekomme zuwenig von allem, zu wenig Achtung vom Team, zuwenig Anerkennung vom Regisseur, alle jammern und maulen herum, der Regisseur teilt von oben herab aus, es regnet Beleidigungen und Drohungen, die Spieler reagieren in Form von Seitenhieben gegeneinander, sie teilen ihre eigenen Aggressionen hübsch untereinander auf. Wellenartig kommt es zu Szenen. Es wird geschrien, gebrüllt, übereinander hergefallen. Doch so ist das Leben und das Theater spiegelt das Echte nach Meinung des Stückeschreibers wohl mehr in der Probezeit, als am Premierenabend.
Das Publikum jedenfalls brüllt auch, vor lachen. Die Gags sind bestens gelungen, alle sind am Ende reif für die Nervenheilanstalt.
Regisseur macht jeder einzeln den Hof, verteilt Rosen, sucht Triebabfuhr
Einmal sieht man den Regisseur nach Abgang von der Bühne auf Leinwand. Was macht er seltsames? Er streift, mit Anklang an die Mee-too-Debatte am Premierenabend, wo er nichts mehr zu tun hat, durch die Umkleideräume und Requisite und man sieht ihn dort mit allem, was er finden kann, Tischkanten, Büromöbeln, Gardinen, Kostümen herummachen, als onaniere er. Danach macht er jeder Schauspielerin des Stückes einzeln den Hof, verteilt an jede Rosen, verspricht groß die Liebe, aber man hat kapiert, er meint nur sich selbst, sucht nichts als Triebabfuhr, die Frauen sind ihm gleichviel wie die Möbelstücke in seiner Pause. So wird er dann wunderbar von einer der Spielerinnen abgewiesen und komplett und bühnenreif zusammengebrüllt.
Theater immer Konstruktion
Also es geht hoch her bei diesem Stück, und man sieht den ganz normalen Wahnsinn der Welt, in der wir leben. Und es zeigt mehr als alles andere, das Theater immer eine Konstruktion des Wunsches und der Sehnsucht ist, von dem, was wir besser machen und erreichen könnten. Der Blick hinter die Bühne will dagegen nackte Wahrheit zeigen, das reale Leben. Dass das so traurig-hysterisch ist, so gemein und aggressiv, hebt sich durch den Witz wieder auf.
Masken beenden den Wahnsinn
Die alles vereinende Hochstimmung kommt zwar schließlich noch so ein wenig auf, als es endlich an die Premiere geht, aber da erlebt das Publikum nun hier mit den Spielern den großen Abfall der Spannung, auch das ist sehr gut geglückt, die Spieler treten zunächst sehr schön mit riesigen Maskenköpfen auf, liegen aber bald darauf erschöpft herum, die Masken übrigens wunderbare Produkte des RambaZamba-Ateliers und der Maskenbildnerin. Sie entfremden die Spieler nun von sich selbst und das Bühnen-Stück schimmert kurz ein wenig auf. Aber gleich darauf wieder der Blick hinter die Bühne: Spannungsabfall, Langeweile, Erschöpfung und die Obsessionen des Regisseurs mit den dazu gehörenden Weinszenen der betrogenen Frauen, beenden den Wahnsinn.
Wunderbar hochkochend gelungen
Was also ist die Premiere: Illusion. Und nur ein winziger Teil der Theaterwelt. Diese besteht im Wesentlichen aus Proben und diese aus Wiederholungen, die einem zum Hals heraus hängen. Der Alltag darin wird bestimmt von Angebrülltwerden, verzanken und versöhnen, Liebe, Freundschaft, Sex, Hass, Wut und Hysterie. Wie im Leben. Sehr gut und wunderbar emotional hochkochend gelungen, dazu schöne gestalterische Einfälle, herausragend der Tanz der Türen und der Masken.
Anja Röhl
http://www.anjaroehl.de