Marquise von O. und -
Bauprinzip ihres Abends: Die Kleist-Novelle wird nachgespielt, meist mit Mikros an der Rampe, nicht ganz so statisch wie bei Simon McBurney und seinem „Michael Kohlhaas“ an der Schaubühne. In jedem Moment wird spürbar, dass der Kleist-Text mit all seinen indirekten Reden ganz untheatralisch geschrieben ist. Dementsprechend zäh wird es manchmal, wenn zwei Stars des Hauses, Maren Eggert als die Marquise und der aus Elternzeit zurückgekehrte Alexander Khuon als Graf die unerhörte Begebenheit verhandeln.
An den Bruchstellen des Literaturtheaters baute Gáspár drei reale Vergewaltigungsfälle ein: mit den Gerichtsakten oder TV-Interviews werden die grausamen Misshandlungen von Franca Viola, Erika Renner und Gisèle Pelicot rekonstruiert. Die ersten beiden Fälle, die sich in den 1960ern in Sizilien bzw. 2013 in Budapest ereignten, kennen wohl nur Experten. Am Leid von Madame Pelicot, das im vergangenen Jahr in Avignon vor Gericht verhandelt wurde, kam jedoch keiner vorbei.
In Großaufnahme schildert Almut Zilcher, ein drittes Ausrufezeichen in der Besetzungsliste dieses Abends, den Schmerz von Pelicot. Die stärkste Szene des langen Abends: eine Textpassage, die nachhallt, vorgetragen von einer Meisterin des Schauspiel-Fachs. Hier kommt die Lecture Performance, mit der uns die Brutalität der patriarchal geprägten Gesellschaft eingebleut werden soll, in ihrem Kern an. Mehr solche schauspielerischen Glanzlichter wären wünschenswert gewesen, stattdessen viel Frontaltheater, zähe Literatur-Nacherzählung und vor allem minutenlanges Stroboskop-Gewitter, um die Konfrontationstherapie dem Publikum so unangenehm wie möglich zu machen.





