Arthur Millers Ballade von der Fruchtlosigkeit menschlichen Strebens, uraufgeführt 1949 am New Yorker Broadway, gilt längst als klassische Umsetzung des schmerzlichen Erwachens aus dem amerikanischen Traum von Reichtum und Glück. Die Breitenwirkung dieser Tragödie in unseren Tagen resultiert unter anderem daraus, dass sich ein solches Schicksal mühelos auch auf andere Orte und Zeiten mit ähnlichen Voraussetzungen übertragen läßt, wodurch die Handlung eine bisweilen bestürzende Aktualität gewinnt. Eine gewisse Nähe und thematische Verwandtschaft besteht zu Tennessee Williams’ früher erschienenem Stück „Die Glasmenagerie“, wo der amerikanische Traum auf ähnliche Weise zerbricht.
Die Inszenierung von Bastian Kraft hat ein unbestreitbares Verdienst: sie bietet diese Vorlage ohne Verfärbungen und bemühte Beimischungen an, lapidar und elementar, wie es auch das Bühnenbild von Ben Baur unterstreicht. Die weite, kahle Bühne wird nur von einem gigantischen Rundhorizont begrenzt, der als Projektionsfläche für illustrative Schattenspiele genutzt wird. Die können sowohl aus der realen wie aus der imaginativen Handlung stammen. Ansonsten hängt nur eine simpel blecherne Tischlampe aus der Höhe herab, und auf der Drehbühne befindet sich lediglich ein Tisch mit ein paar Stühlen. Leider beschert die ansonsten naturbelassene Bühne den Akteuren ein akustisches Problem: die Sprachverständlichkeit ist streckenweise auffallend schlecht, und der damit allein gelassene Zuschauer muss sich anhand der projizierten englischen Übertexte vergewissern, ob er das Gesagte zutreffend aufgenommen hat.
Willy Loman ist seit vielen Jahren Handelsvertreter und erinnert sich durchaus lukrativer Zeiten, in denen sein Beruf ausreichte, um die Familie zu ernähren. Nun wird er entlassen und steht vor dem Ruin. Ulrich Matthes gibt diesem Mahnmal des sozialen Abstiegs alle Dimensionen, aus denen die Figur lebt: trotzigen Stolz, das stets präsente Bewußtsein einstiger Leistungen, das Beispiel des erfolgreichen Bruders und das immer fortlebende Bemühen, die Existenz der ihm anvertrauten Angehörigen zu sichern. Gepaart mit nachlassendem Realitätssinn wird daraus ein gefährlicher Zustand, in dem es keinen Ausweg aus der Abwärtsspirale mehr gibt.
Auch die beiden Söhne sind vom Fluch der Mittelmäßigkeit verfolgt. Biff (Benjamin Lillie) schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch, und auch sein Bruder Happy (Camill Jammal) ist lediglich ein zweitklassiger Assistent, der vom Aufstieg träumt. Als beide den Plan fassen, gemeinsam ein Sportgeschäft zu eröffnen, versickert dieser Impuls ohne positives Ergebnis. Nachbar Charley (Harald Baumgartner) leiht Loman etwas Geld, aber von einem angebotenen Job will dieser nichts wissen. Seine Ehefrau Linda (Olivia Grigolli) leidet unter der gereizten Atmosphäre in der Familie, nutzt aber jede Gelegenheit, die guten Seiten ihres Ehemannes zu rühmen. Howard Wagner (Moritz Grove) tritt auf, Chef der Handelsfirma, bei der Willy einst angestellt war, und führt ihm eine faszinierende Neuerung vor: ein Tonbandgerät, das die Stimmen seiner Kinder festhält. Statt Mitgefühl für die Lage von Willy Loman spürt man bei ihm aber eher soziale Kälte.
Ein Anstellungsversuch von Biff bei einem früheren Schulfreund Oliver mißlingt- der erkennt ihn gar nicht, und Biff klaut ihm lediglich seinen Füllhalter. Ein gemeinsames Dinner der beiden Söhne mit dem Vater, zu dem Happy eingeladen hatte, um den erwarteten Job für Biff zu feiern, zerflattert - die beiden Söhne ziehen mit rasch angeheuerten Mädchen davon und ignorieren Vater Willy. Als alle wieder zu Hause sind, zieht die nächste Auseinandersetzung herauf - Biff gibt zu, während einer dreimonatigen Abwesenheit wegen Diebstahls im Gefängnis gewesen zu sein, und kündigt seinen Auszug aus dem Elternhaus an. Vor dem abendlichen Schlafengehen verläßt Willy das Haus, um den Tod zu suchen, damit seine Familie von der Lebensversicherung existieren kann.
Viel Beifall für die eindringliche Zeichnung der Figuren, für Ulrich Matthes und das übrige Ensemble.
http://roedigeronline.de