Zum Inhalt: Maria Stuart, katholische Königin von Schottland, ist vor ihrem Volk geflohen, das ihr Auftragsmord an ihrem Gatten vorwirft. In England hofft sie bei ihrer Cousine, der protestantischen Königin Elisabeth, auf politisches Asyl, erhebt gleichzeitig aber Anspruch auf ihre Krone, als deren rechtmäßige Erbin sie sich sieht. Sie wird gefangen genommen und interniert, Befreiungsversuche von jungen Rettern schlagen fehl. Doch Marias Glanz strahlt auch aus dem Kerker heraus: Sie kann auf ihre treue Anhängerschaft zählen und weiß Frankreich an ihrer Seite. Nach mehreren vereitelten Mordanschlägen auf Königin Elisabeth, die ihr angelastet werden, soll sie hingerichtet werden. In Elisabeths Beraterstab gehen die Meinungen auseinander, ein Versöhnungsversuch in Form eines Aufeinandertreffens der beiden Königinnen scheitert grandios. Dennoch zögert Elisabeth das Todesurteil zu vollstrecken und fürchtet die Entscheidung in einem Duell, das keine Siegerin kennen wird.
Friedrich Schillers Maria Stuartist ein Ränkespiel im Geflecht von Politik, Religion, Liebe und Macht, dem alle Figuren unentrinnbar unterworfen sind. Er zeichnet ein Tableau von Mächtigen, die Verantwortung scheuen und an ihren Positionen ersticken. Und er zeigt sie als zutiefst menschliche Charaktere, die in ihrem Tun oder Nicht-Tun einsam, isoliert und unfrei immer wieder bei sich selbst landen. Sartre: "Der Mensch ist zur Freiheit verurteilt. Denn wenn er erst einmal in die Welt geworfen ist, dann ist er für alles verantwortlich, was er tut."
Regie: Anne Lenk Bühne: Judith Oswald Kostüme: Sibylle Wallum Musik: Camill Jammal Licht: Cornelia Gloth Dramaturgie: David Heiligers
Das erhoffte Duell der beiden Hauptdarstellerinnen bleibt jedoch aus, erst recht kommt es nicht zu den Zickenkrieg, den auch Barbara Behrendt in ihrer DLF-Kritik erwartet hatte. Zu schwer lastet der hohe, vor Pathos triefende Tragödien-Ton auf dem etwas mehr als zweistündigen Abend, zu sehr zwingt die Waben-Struktur des Bühnenbilds die Spieler*innen in die Isolation und zur Frontal-Ansprache des Bühnenbilds. Nur in zwei Schlüssel-Szenen wird die strenge Aufteilung des Ensembles durchbrochen und stehen sich zwei Spieler*innen direkt gegenüber: als der junge, ungestüme, zappelnde Mortimer (Jeremy Mockridge) vor Maria Stuart niederkniet und als sich die beiden Rivalinnen zum einzigen Mal Auge in Auge treffen.
Aber gerade diese Szene zeigt, dass Lenks Schiller-Lesart trotz aller Werktreue nicht aufgeht: Windischbauer spielt Elisabeth als sensible, schüchterne Grüblerin, zaudernd, sich zurücknehmend und damit zu viele Leerstellen im Zentrum hinterlassend. Diese Leerstellen kann aber auch Machens nicht füllen, da sie ihre Maris Stuart immer wieder ironisch unterläuft, mal bewusst überdreht, dann wieder unterspielt und Gefahr läuft, aus der Figur auszusteigen. Ihre „Maria Stuart“ hat in ihrer Flapsigkeit nur noch wenig mit der Unbedingtheit, mit der sich Susanne Wolff in der Thalia-Inszenierung beim Theatertreffen 2008 in ihren Fesseln aufbäumte und mit ihrer Gegnerin rang.
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''Zwei Frauen unter dem Einfluss von Männern, die sich gern reden hören und ihre Ratschläge und Urteile für die einzig richtigen halten. Dagegen opponiert Maria zwar sehr schnippisch und auch mal wütend, letztendlich aber vergebens. Ihr Leumund ist nicht der Beste, womit sie selbst noch bei der letzten Beichte von ihrem alten Freund Melville (Jeremy Mockridge) gepeinigt wird. Königin Elisabeth verzweifelt dagegen eher an der ihr abverlangten Entscheidungsrolle. Sie kann sich aus Gründen der Staatsraison nicht von den Einflüsterungen ihrer Berater emanzipieren und für die Begnadigung Marias entscheiden. Beim Duell der beiden Frauen im mittleren Hauptraum kommt es zwar nicht zum erwarteten Zickenkrieg, aber sie finden auch nicht zu einer gemeinsamen Sprache. In einem Spiel, das von Männern bestimmt wird, haben sie selbst als Königinnen nicht das Zepter in der Hand. Maria ist auf Männer wie Lancaster oder den von Jeremy Mockridge etwas überdreht und pennälerhaft dargestellten katholischen Eiferer Mortimer angewiesen. Das bekommt bei aller Albernheit, bei der Mockridge sogar die Hose herunterlässt, doch auch etwas Übergriffiges.
Anne Lenk gibt sich sichtlich Mühe, dem Schiller’schen Intrigenspiel etwas Heutiges abzugewinnen. Dabei steht ihr aber vor allem der hochtrabend pathetische Text im Weg, was sie durch etwas Ironie zu brechen versucht. Ein launiges, schräges Typenballett von lauter Einzeltänzern. Die beiden Königinnen tragen zweimal auch vergrößerte Pappmache-Köpfe wie überhöhte Idealisierungen, wohinter ihre wahren Empfindungen verschwinden. Im Kampf der beiden Frauen gibt es keine Siegerin, auch wenn die Regisseurin der Maria scheinbar etwas mehr Sympathie entgegenbringt. Am Ende steht die sie um ihre Freiheit in der Wahl in Herzensangelegenheiten beneidende Elisabeth nach dem Entscheidungs-Eiertanz (mit Caner Sunar als etwas überfordertem Staatssekretär Davison) um das Todesurteil der Maria zu guter Letzt ziemlich allein da.'' schreibt Stefan Bock am 31. Oktober 2020 auf KULTURA-EXTRA