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SPIELPLAN & KARTEN

Die Heilige Johanna der Schlachthöfe

Bewertung und Kritik zu

DIE HEILIGE JOHANNA DER SCHLACHTHÖFE 
von Bertolt Brecht
Regie: Dušan David Parizek 
Premiere: 27. Februar 2025 
Berliner Ensemble 

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Zum Inhalt: Chicago 1930: die Viehbörse wird vom "Fleischkönig" Mauler kontrolliert, die Fabriken sind geschlossen. Johanna Dark will den hungernden Arbeitern helfen, sie will wissen, wer an deren Elend schuld ist. In ihren drei Gängen "in die Tiefe" begegnet sie Mauler und glaubt ihn zur Menschlichkeit zu bekehren. Zunächst will er die Fabriken wieder öffnen, den Arbeitern wieder Lohn und Brot verschaffen. Doch Johanna wurde getäuscht. Die Kälte, die Armut, den Hunger der Arbeiter – Mauler nimmt sie in Kauf, als er die Chance sieht, die anderen Fleischfabrikanten zu erpressen. Johanna kommt zur Einsicht, dass nur "Gewalt hilft, wo Gewalt herrscht"! Doch damit ist sie schon nicht mehr zu hören, sie wird übertönt von den Gesängen, die die Kapitalisten anstimmen, sie erklären sie darin, jetzt da sie unwirksam ist, zur Märtyrerin, zur ihrer "heiligen Johanna der Schlachthöfe".

Bertolt Brecht verfasst das Stück zwischen 1929 und 1931, inmitten der Weltwirtschaftskrise und der daraus entstehenden Massenarbeitslosigkeit, es zählt zu einer Reihe von Stücken und Fragmenten, in denen sich Brecht mit der Spekulation mit lebenswichtigen Gütern beschäftigt. Die beiden faustisch verbundenen Figuren im Zentrum, Johanna und Mauler, sind in der Inszenierung des tschechischen Regisseurs Dušan David Pařízek, zwei Frauen: Kathleen Morgeneyer und Stefanie Reinsperger.

Regie/Bühne: Dušan David Pařízek
Kostüme: Kamila Polívková
Musik: Peter Fasching
Licht: Hans Fründt
Dramaturgie: Karolin Trachte

3.5 von 5 Sterne
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Brechts Klassenkampfdrama
3 Monate her.
Kritik

''Zölle sind wie gerade bei Trump auch ein wichtiges Marktelement in Brechts Stück, das versucht die Wirkungsweise von Angebot und Nachfrage sowie von Kursanstieg und Wertverfall an der Börse zu beleuchten. Die Mauler ist hier eine wichtige Manipulatorin, da sie über Insiderwissen von sogenannten Freunden von der Wall Street verfügt und sie gegen die Konkurrenz der anderen Fleischfabrikanten wie Cridle (Marc Oliver Schulze) und Lennox (Amelie Willberg) einsetzt. Die Treffen zwischen Cridle und Mauler werden auf der von Pařízek gestalteten zweiseitig offenen, schrägen Kastenbühne als diabolische Schattenspiele an die Wände projiziert. Der beim Regisseur übliche Overheadprojektor dient als Lichtquelle, Bild- und Textwerfer. Gleich zu Beginn tanzt die Reinsperger zu schnell wechselnden bedrohlichen Videoprojektionen den entfesselten Kapitalismus.

Neben dem Schauwert wird aber auch das Stück in seinen wichtigsten Stationen abgespult. Johanna lässt sich hier von Mauler persönlich die Schlechtigkeit der Arbeiter in den Schlachthöfen zeigen. Auftritt Frau Luckerniddle (Nina Bruns), die anstatt weiter nach dem Schicksal ihres verunglückten Manns zu fragen, lieber das Freiessen in der Kantine will. Die Arbeiter agieren hier nie als Kollektiv, sondern immer als Einzelwesen. Reinsperger spielt den scheinheiligen Verführer und wickelt die bei den Schwarzen Strohhüten verstoßene Johanna wie ein Kind in ihr weit ausladendes rotes Gewand (Kostüme: Kamila Polívková). Auch eine Form von vergeblicher Liebesgeschichte. Sehr deutlich kommt auch die Verquickung von Schwarzen Strohhüten (Amelie Willberg als Major Paula Snyder und Nina Bruns als Martha) und Fleischfabrikanten als Geldgeber zum Ausdruck. Nächstenliebe als Service am Kunden. Hier wird auch mal zur Gitarre gegriffen und Money-making is a wonderful thing gesungen. Dagegen steht provokant Das Kapital lässt euch die Wahl. Das Dilemma vom gewaltfreien Kampf lässt sich natürlich auch hier nicht lösen. Johanna ist mit ihrer Moralpredig nicht weit gekommen. Am Ende steht das triumphierende Monopol an der Rampe und Johannas späte Einsicht: „Es hilft nur Gewalt, wo Gewalt herrscht, und Es helfen nur Menschen, wo Menschen sind.“ schreibt Stefan Bock am 18. März 2025 auf KULTURA-EXTRA

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Traditionspflege mit wuchtigem Pausen-Solo als Höhepunkt
3 Monate her.
Kritik

Einmal pro Spielzeit ist am Berliner Ensemble Traditionspflege angesagt mit einer großen Inszenierung eines Stücks von Bertolt Brecht, dem Ahnherrn am Schiffbauerdamm.

Diesmal hat Oliver Reese den tschechischen Regisseur Dušan David Pařízek beauftragt, „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“, ein Wirtschaftskrisen-Lehrstück und zugleich eine Parodie auf Schillers Pathos, auf die Bühne zu bringen. Seit mehr als zwei Jahrzehnten ist Pařízek auf den großen Bühnen mit recht soliden Klassiker-Inszenierungen präsent. Sein Markenzeichen: der Overheadprojektor, der auch diesmal nicht fehlen darf und pünktlich zur Pause (vermeintlich? tatsächlich?) streikt.

Diese Pause ist das Herzstück des Abends: Stefanie Reinsperger, in ihre Heimat ans Wiener Burgtheater zurückgekehrt, aber dem Berliner Ensemble noch als fester Gast verbunden, steigt aus dem Brecht-Text aus und performt ein mehrere Minuten langes Solo, in dem die Ikone der Libertären, Ayn Rand, mit den „Nullen“ abrechnet. Aus „Atlas Shrugged“ (1957, in deutscher Übersetzung als „Der Streik“ bekannt) stammt dieser Monolog, den Reinsperger in unnachahmlicher Reinsperger-Manier in den Saal schleudert.

Man tut gut daran, das Angebot einer „Pause, falls Sie mögen“ nicht wahrzunehmen. Denn sonst verpasst man den Höhepunkt des Abends. Den selben Kniff setzten Reinsperger und Pařízek schon vor zehn Jahren in der Wiener „Die lächerliche Finsternis“-Inszenierung ein, als Reinspergers Stern beim Theatertreffen 2015 aufging und sie in der Pause das Bühnenbild kurz und klein häckselte.

Die restlichen zwei Stunden sind recht konventioneller Brecht mit ein paar Gags, die nicht so recht zünden, interessanten Licht- und Schattenspielen auf Parizeks schräger Holzbühne und zwei Schauspielerinnen im Zentrum.

Bemerkenswert an dem Aufeinandertreffen der beiden so gegensätzlichen Spielstile – hier die kraftvoll-wuchtige Reinsperger, die sich im „Kaukasischen Kreidekreis“ zum BE-Einstand die Seele aus dem Leib schrie, dort die ätherisch-zart spielende Morgeneyer: sie reizen ihre Figuren nicht zum Klischee aus, sondern legen sie facettenreicher an, als zu erwarten war. Reinspergers Maulerin ist nachdenklicher und kein Oligarchen-Rambo, sondern charmiert und trickst. Morgeneyers Johanna ist keine naive Frömmlerin, sondern wirkt durchaus tatkräftig.

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