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    Kleiner Mann – was nun?

    Bewertung und Kritik zu

    KLEINER MANN – WAS NUN? 
    von Hans Fallada
    Regie: Frank Castorf 
    Premiere: 14. September 2024 
    Berliner Ensemble

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    Zum Inhalt: Das junge Elternpaar Pinneberg und Lämmchen hält an seiner Liebe und am Glauben an eine bürgerliche Moral fest – trotz Armut, Arbeitslosigkeit und sozialer Härte. Ihr Kampf um einen letzten Rest Würde endet am Rand des Molochs Berlin.

    Hans Fallada fasst seinen international erfolgreichen Roman, welchen er 1932 in Zeiten von höchster wirtschaftlicher und politischer Anspannung in Deutschland nur zensiert veröffentlichen konnte, so zusammen: "Ehe und Wehe von Johannes Pinneberg, Angestellter, verliert seine Stellung, bekommt eine Stellung, wird endgültig arbeitslos. Einer von sechs Millionen, ein Garnichts, und was der Garnichts fühlt, denkt und erlebt." Die Frage "Was nun?" wurde historisch von der Machtergreifung der Nationalsozialisten beantwortet. Die Frage, wie wirkungsvoll individueller Zusammenhalt in einer Massengesellschaft sein kann, beantwortete Fallada mit einem utopischen Moment.

    Frank Castorf adaptiert die Ursprungsfassung des Romans und setzt sie in Bezug zu autofiktionalen Texten von Fallada, die er größtenteils im Gefängnis und in der Psychiatrie verfasste, wie etwa "Die Kuh, der Schuh, dann du".

    4.0 von 5 Sterne
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    "Nie wieder Kokain"
    14 Tage her.
    Kritik

    ''Castorf benutzte also den Romantext (Ursprungsfassung) als wie autofiktionale Texte Falladas, die dieser im Gefängnis oder in der Psychiatrie verfasste, wie z.B. Die Kuh, der Schuh, dann du. Ja und so etwa fifty-fifty ging es dann in seinem Stück a) um besagte Handlungsabschnitte aus Kleiner Mann - was nun? und b) um Fallada als Schriftsteller und Mensch, alles dann überwürzt mit (wie bei Castorf üblich) Fremdtexten (z.B. Schlacht von Heiner Müller) und viel, viel "thematischer" Musik ("Nie wieder Kokain" von Faber, "Alt Moabit" von Wouter van Bemmel, "Arleta" von Mia Fora Thymamai, "Die ganze Welt ist himmelblau" mit Peter Kraus, "With the dark hug of time" von Colin Stetson & Sarah Neufeld usw. usf.).

    Er holte, so wie eh und je, das Maximale aus dem ihm zur Verfügung stehenden Schauspielerinnen- und Schauspieler-"Material" heraus - im Publikum entdecke ich, rein zufällig, paar Altgediente seiner früheren Volksbühnenfamily: Sophie Rois, Katrin Angerer, Frank Büttner, auch Jeanne Balibar (!) war da. Ich fragte mich, ob sie entweder froh oder traurig wären, dass sie diese anstrengenden Texte-Massen, die er ihnen immer zumutete, nicht mehr aus sich sondern müssten, und sie mussten schließlich dieses viele Textzeugs vorher erst noch auswendig lernen und begreifen, doch wahrscheinlich sind sie beides, also froh und traurig zugleich. Nun, jetzt sind halt die anderen mal dran: Artemis Chalkidou, Maximilian Diehle, Pauline Knof, Maeve Metelka, Gabriel Schneider; alles Leute vom BE-Ensemble, die bei ihm noch nicht zuvor gespielt hatten. Auch Jonathan Kempf (!!) zählt mit dazu, der war dann aber schon bei Castorfs Fabian (2021) in Aktion und lieferte dann dieses Mal, als Fallada-Ego, einen geradezu expressionistischen Extra- und Eröffnungsauftritt der absoluten Sonderklasse, Schauspielkunst vom Allerfeinsten!

    Und Andreas Döhler - der hinwieder und zuvörderst - war bereits in den drei vorigen BE-Großopern, die der Castorf seit 2017 am Schiffbauerdamm gewuchtet hatte, mit dabei (Les Misérables, Galileo Galilei, Fabian oder Der Gang vor die Hunde). Ja, er gehört seither zu Castorfs innererem Kreis; beim wohlwollenden Schlussapplaus war er derjenige, den Castorf am wohl innigsten und auffälligsten herzte, und so musste der Verlegene mit seinen Tränen kämpfen... Schönes Bild.

    Müßig, all das Gesehene/ Gehörte hier an dieser Stelle chronologisch nachzuerzählen. Die Faszination der Castorf-Inszenierungen besteht seither darin, das jeweils von ihm dramaturgisch angezettelte Groß-Durcheinander in seiner wiederum perfekt anmutenden Geordnetheit auf sich wirken zu lassen. Und ob das alles, was er uns da jemals sagen wollte, bei uns ankommt, liegt im Auge (und im Ohr, versteht sich) des Betrachters.'' Andre Sokolowski am 15. September 2024 auf KULTURA-EXTRA

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    Schlüssiges Konzept zerfällt zu sehr in Einzelteile
    19 Tage her.
    Kritik

    Nach dieser schleppenden ersten Stunde nimmt der Abend langsam Fahrt auf und in den langen Sequenzen, die das Live-Kamera-Trio Andreas Deinert, Kathrin Krottenthaler und Harald Melwig aus der Unterbühne überträgt, stellt sich noch etwas vom erhofften Castorf-Nostalgie-Sog ein. In den Schlüsselszenen aus dem Roman darf jeder mal glänzen: Chalkidou/Döhler spielen Mama Pinneberg und ihren Liebhaber Jachmann, Glanzlicht nach der Pause ist die Szene, in der Gabriel Schneider von Pauline Knof als Schlüter-Diva herumgescheucht wird und dennoch keinen Cent verdient, so dass er sich wütend auf sie stürzt und die am Boden röchelnde Knof Gelegenheit hat, das vielkritisierte Frauenbild aus Castorf-Inszenierungen mit einem trockenen „Danke Gabriel, genau so will Castorf mich sehen“ aufs Korn zu nehmen.

    Dazwischen werden noch allerlei weitere Fremdtexte reinmontiert, wie so oft von Castorfs Hausheiligem Heiner Müller, nämlich die Farce „Die Schlacht“, die in den 1970er Jahren bei einem der Spektakel von Castorfs Vorgänger Benno Besson an der Volksbühne uraufgeführt wurde, und viele weitere Referenzen aus Falladas realem Leben. Castorfs Konzept ist durchaus schlüssig: allzu niedlich und sentimental empfindet er die Romanvorlage von 1932, die damals zum Bestseller avancierte und in der krisenhaften Zuspitzung der ihrem Untergang entgegen taumelnden Weimarer Republik einen Hoffnungsschimmer verbreiten wollte. Dem setzt er die ganze Wucht des Müllerschen Geschichtspessismus mit den marschierenden SS-Truppen aus der „Schlacht“ und einen von William Minke klug kompilierten Punk- und Protest-Soundtrack entgegen, der von Ernst Buschs Arbeiterliedern zu roter Fahne bis zum Anti-Hartz-IV-Song der Kassierer von 2003 reicht, die sich von der rot-grünen Agenda 2010 verraten fühlten und diesen Vorwurf sehr plakativ herausbrüllen. Das zentrale Scharnier in Castorfs Konzept ist aber, dass er den Fallada-Roman mit der Biographie des Autors in Beziehung setzt. Zur „Perfect Day“-Hymne von Lou Reed gehen Döhler und Knof am Ende nicht einer heimeligen Zukunft entgegen, die Pinneberg und Lämmchen mit ihrem Murkel im Kleinfamilien-Idyll abseits der stürmischen Welt erträumen. Vor einem ironisch-kitschigen Sonnenuntergang wird diese Schluss-Szene des Romans mit dem Lebensende von Hans Fallada und seiner Frau Ursula verschnitten: sie gab ihm während einer gemeinsamen Entziehungskur aus Versehen eine tödliche Überdosis und wurde einige Jahre später in einem namenlosen Sozial-Grab beerdigt, wie Knof referiert.

    Dieser gedankliche Bogen, den Castorf schlägt, ist sowohl interessant als auch schlüssig, allerdings für das Publikum mit der gewohnten Dosis „Tortur-Theater“, wie es Rüdiger Schaper in langjähriger Hassliebe im Tagesspiegel labelt, verbunden. Etwas mehr als fünf Stunden werden diesmal verabreicht. Nebenstränge, die ins Nirwana ausufern, verkneift sich der Altmeister in seiner ersten Berliner Inszenierung nach drei Jahren zwar. Dennoch klaffen die Einzelteile seines Konzepts in den langen Stunden am Schiffbauerdamm auseinander, so dass die dramaturgische Stringenz des schlüssig Ersonnenen unnötig leidet.

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