Zum Inhalt: „Die Welt soll sich mir beugen oder zerbrechen“, meint Ubu. Er glaubt nicht an Demokratie, Gleichberechtigung oder den Klimawandel – einzig sein unstillbarer Hunger zählt. Wenn Asozialität und Narzissmus zum politischen System werden, verkommt die Realität zur Ansichtssache der Mächtigen. Heute erscheint der Skandal, den Jarrys fressender, mordender König Ubu 1896 auslöste, harmlos, angesichts einer politischen Landschaft, die denjenigen zur Macht verhilft, die am schamlosesten nach ihr greifen; die diejenigen belohnt, die am lautesten schreien und die Schuld stets bei den anderen finden. Für das Berliner Ensemble schreibt der belgische Autor und Regisseur Stef Lernous die Groteske des mordenden Egomanen Ubu neu und versetzt sie in seine abgründig düsteren Bildwelten.
Regie: Stef Lernous Bühne: Sven van Kuijk Kostüme: Stef Lernous, Elina Schnizler Dramaturgie: Johannes Nölting Musik: Jörg Gollasch Licht: Arnaud Poumarat
''Tilo Nest trägt als Pa Ubu, wie er hier heißt, einen Fatsuit und fahles blondes Haar. Sein Hemd ist schmutzig, seine nackten Beine ebenfalls, und so sitzt er im Ledersessel vor dem Fernseher, trinkt Dosenbier, mampft tütenweise Chips und herrscht die anderen im Befehlston an. Oder bricht in Tränen aus. Stefanie Reinsperger tritt als Ma Ubu in schulterfreier Abendrobe und einer Haarspray-Betonfrisur auf, wie man sie sich von einer amerikanischen Präsidentschaftsgattin vorstellt. Beide spielen sie, wie es gar nicht anders möglich ist, eine überdrehte Parodie.
Von Bedrohlichkeit keine Spur, vielmehr glaubt man sich im RTL2-Programm, zu Besuch bei den "Flodders" (falls diese asoziale Serienfamilie noch jemand kennen sollte). Einziger Lichtblick dieser beiden Stunden sind die Live-Musiker. Sie stehen an Klavier, Trompete, Schlagwerk, Tuba und spielen eine Mischung aus Marsch- und Zirkusmusik und Free-Jazz. Die Schauspieler geben kleine Gesangssoli.'' schreibt Barbara Behrendt auf rbbKultur
Wer mit diesem weinerlichen, selbstgefälligen, seine Umwelt mit unsinnigen Befehlen quälenden Riesenbaby gemeint ist, ist sonderlich schwer zu entschlüsseln. In der „Ubu Rex“-Überschreibung des flämischen Regisseurs Stef Lernous wimmelt es nur vor Anspielungen auf Donald Trump. Von den „Fake-News“ bis zum Bau einer Mauer an der mexikanischen Grenze packte der Autor eine ganze Palette markanter Trump-Sätze in seine groteske Karikatur des sich selbst überschätzenden Machtmenschen.
Tilo Nest spielt diesen Pa Ubu, einen Kleinbürger, der zum Potentaten wird und als traurige, am Boden liegende Witzfigur endet, als einen Chips in sich hineinmümmelnden Biedermann im Fatsuit. Die meiste Zeit hält sich seine holde, wie in der deutschen Übersetzung des „König Ubu“-Originals ständig „Schreiße“ brüllende Gattin Ma Ubu im Hintergrund und macht ein paar Turnübungen, wenn sie nicht ausdauernd qualmt. Stefanie Reinsperger ist diese von der Lady Macbeth inspirierte Rolle eigentlich wie auf den Leib geschrieben, aber sie kann ihr Können zu selten zeigen. Ein kurzes Solo, in dem sie dem Mann, der nur eine Marionette für sie war, ein paar verächtliche Fußtritte verpasst und von dem Pakt mit dem Teufel schwärmt, gehört zu den wenigen Glanzlichtern eines blassen Abends.
Komplette Kritik mit Bild