GUTWITZ in «Epicoene oder Das stille Frauenzimmer»

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    2. Akt, 2. Szene 

    Gutwitz, Morose und Stumm 

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    9158322 9158322 XlGUTWITZ: (Gutwitz mit einem Posthorn, und einem Stricke in der Hand) Lieber Herr, ich bin nichts als ein Bote, ich sage Euch nur, was Ihr hören müßt. Es scheint, Eure Freunde sind für das Wohl Eurer Seele besorgt, und wünschen, daß Ihr die Gefahr kennen lernt; (aber Ihr mögt demohngeachtet thun, was Euch gefällt, Sir, ich überrede zu nichts.) Wenn nun Euer Weib, nachdem Ihr verheirathet seid, mit einem Luftspringer wegläuft, oder mit einem Französischen Seiltänzer, oder einem Possenreißer, oder einem Fechter, wegen der Geschicklichkeit, seine Waffe zu führen; gut, so ist es nicht Ihre Schuld, Sie haben Ihr Gewissen gereinigt, wenn Ihr erfahren habt, was sich zutragen kann. Nein, erduldet es heldenmüthig, Sir, denn ich muß Euch nun alle die Gefahren schildern, die Euch mit einem Weibe bevorstehn. Ist sie schön, jung und gesund, so kann kein Zuckerwerk mehr Fliegen herbeiziehn; alle gelben Wämmser, alle großen Rosen aus der Stadt werden sich bei ihr finden. Ist sie häßlich und verwachsen, so wird sie Ihnen nachgehn und sich diese Wämmser und Rosen kaufen. Ist sie reich und Ihr heirathet ihre Mitgift, nicht sie, so wird sie im Hause mit allem Ungestüm einer Wittwe herrschen. Ist sie von Adel, so wird ihre ganze Verwandtschaft Euch tyrannisiren. Ist sie fruchtbar, so ist sie so stolz wie der Mai, und so launig, wie der April, sie muß ihre Doktors, ihre Wehmütter, ihre Ammen, ihre Gelüste in jeglicher Stunde haben, und wäre es selbst der kostbarste Bissen, ein Mann. Ist sie gelehrt, so hat es noch nie einen solchen Papagai gegeben, Euer ganzes Vermögen reicht nicht zu, alle die Gäste zu bewirthen, die sie müssen Latein und Griechisch sprechen hören, ja ihr müßt noch dazu in diesen Sprachen bei ihr liegen, wenn Ihr ihr gefallen wollt. Ist sie heilig, so müßt Ihr einen Tag um den andern alle stummgemachten Brüder bewirthen, alle Schwestern grüßen, die ganze Familie, die ganze Sippschaft unterhalten, ihre langgesponnenen Andachtsübungen, ihre Gesänge, ihr Katechisiren mit anhören, dem Ihr nicht ergeben seid und doch vieles dafür geben müßt, um der andächtigen Matrone, Eurem Weibe, zu gefallen, die Euch, zum Besten der heiligen Sache, über und über betrügen wird. Ihr fangt an zu schwitzen lieber Herr, aber das ist wahrhaftig noch nicht die Hälfte; demohngeachtet mögt Ihr, wie ich schon sagte, Eurem Vergnügen folgen, ich komme nicht, um Euch zu überreden. Wahrhaftig, Ihr Herr Bedienter, wenn Ihr Euch rührt, so gebe ich Euch eins.

    Stumm schleicht sich fort.

    MOROSE: O, was ist mein Verbrechen? Was ist mein Verbrechen?

    GUTWITZ: Wenn Ihr nun Eure Frau liebt, oder sie wohl gar anbetet, o wie wird sie Euch da peinigen! welch Vergnügen wird sie in Euren Martern finden! Dann dürft Ihr nur bei ihr liegen, wenn es ihr gefällt; sie will ihre Schönheit, ihre Farben nicht verderben, oder sie muß dieses Juweel, jene Perle dafür haben, wenn sie es thun soll, und das Vergnügen jeder halben Stunde muß wieder von neuem erkauft werden, und wieder mit derselben Mühe und Last, womit Ihr sie zum erstenmale gewannet. Dann müßt Ihr nur Gesinde halten, das ihr gefällt, Gesellschaft, die sie will, der Freund darf Euch nicht ohne ihre Erlaubniß besuchen, und wen sie am meisten liebt, den wird sie scheinen am giftigsten zu hassen, um Eure Eifersucht abzulenken, oder sie wird sich stellen, als wäre sie auf Euch eifersüchtig, deswegen wird sie zu einer Freundin ziehn, zu einer Muhme, im Kollegium, die unterrichtet sie dann in den Geheimnissen Briefe zu schreiben, das Gesinde zu verderben, Spione abzurichten; auch muß sie ein reiches Kleid für diesen Festtag haben, ein anders für den nächsten, noch ein reicheres für den dritten, sie muß von Silber speisen, ihr Zimmer muß mit Vorreitern, Läufern, Bedienten und andern Aufwärtern angefüllt sein, außerdem mit Stickern, Juwelierern, Putzmacherinnen, Nähterinnen, Federhändlern, Parfümverkäufern, indeß sie nicht fühlt, wie die Ländereien fortfließen, wie die Aecker schmelzen; sie bemerkt den Tausch nicht, wenn der Kaufmann Eure Wälder für ihre Sammtkleider hat, sie erwägt nicht, was ihr Stolz kostet, wenn sie nur einen Pagen küssen kann, oder eine weiche Haut, die noch keinen Bart fühlt, wenn sie nur eine Staatsdame ist und alle Neuigkeiten weiß, was zu Salisbury vorfiel, was zu Bath, am Hofe, auf der Reise des Königs; oder wenn sie nur Dichter, Autoren und Schreibarten beurtheilen und mit einander vergleichen kann, Daniel mit Spenser, Jonson mit den andern Menschen, und so weiter; oder in Kontroversen ihre Gelehrsamkeit zeigen, in den verwickeltsten Knoten der Theologie, wenn sie nur oft genug sagen kann: dies ist der Streitpunkt; und dann zur Mathematik übergehn, zu Demonstrationen und Antworten, mit diesem Religion, mit dem Zweiten Staatssachen, mit dem Dritten Liederlichkeit sprechen.

    MOROSE: O! o!

    GUTWITZ: Alles dieses ist sehr wahr, mein Herr. Und dann geht sie verkleidet zu einem Beschwörer, oder einer weisen Frau, wo ihre erste Frage ist: wie bald Ihr sterben werdet? Die nächste, ob ihr Freund sie liebt? Darnach, ob sie einen neuen Freund bekommen werde? Wie viele sie noch haben wird? Welcher aus ihrer Familie am besten zum Kuppler taugt? Die Antworten hierauf notirt sie sich und glaubt mehr daran, als an die Schrift. Oder, sie studirt die Kunst wohl selber.

    MOROSE: Mein sehr werther Herr, seid Ihr fertig? Habt Ihr Eure Lust an mir gebüßt? Ich will mir diese Dinge überlegen.

    GUTWITZ: Ja, Sir, und hierauf kommt sie von Hitze und Schweiß dampfend nach Hause, weil sie zu Fuß gegangen ist, und kommt dann in Wochen mit einem neuen Gesicht, das ganz aus Oehl und Vogelleim besteht; in Eselsmilch verjüngt sie sich, und ist durch eine neue Schminke endlich vollkommen hergestellt. Nun Gott befohlen. Noch eins, was ich beinahe vergessen hätte: diejenige, mit der Ihr Euch verheirathen wollt, kann vielleicht auch ihre Jungfrauschaft schon in der Vorhand ausgespielt haben, wie kluge Wittwen ihr Vermögen, ehe sie heirathen, irgend einem Freunde anvertrauen; wer kann das wissen? Oder wenn sie es nicht schon gethan hat, so kann sie es noch am Hochzeitstage thun, oder den Abend vorher, und Euch im voraus zum Hahnrei machen. Man hat dergleichen schon in der Welt gehört. Ein solches Ding ist nichts Unmögliches, Sir. Gott befohlen, ich bin so frei, Euch das Seil als ein Andenken hier zu lassen. Lebe wohl, Stumm!

    Er geht, das Horn wird wieder geblasen.


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