In elegischen zwei Stunden fühlt sich das Starensemble in erlesenen, originalgetreuen Gewändern in die Sinnkrisen, die Langeweile und die Sehnsüchte der russischen Oberschicht des Zarenreiches ein. Maxim Gorki schilderte in seinem berühmten, auch heute noch oft gespielten Stück aus dem Jahr 1904 die melancholische Stimmung von Menschen, die endlos reden, Erinnerungen nachhängen, von Taten oder gar einem Umsturz träumen, aber doch in Lethargie versunken bleiben.
In einigen Inszenierungen wurde versucht, diese Fin de Sieclè-Stimmung vom Vorabend der russischen Revolution aufs heute zu übertragen und die Dialoge zu modernisieren. Oft ging dies schief, missglückte der Spagat und blieb in halbherzigen Versuchen stecken. Peter Stein entschied sich anders: Durch seine Inszenierung und seinen Film flanieren Figuren, die klar aus einer anderen Zeit, einer vergangenen Epoche stammen.
Dass dieser bewusst altmodische, ganz der Werktreue verpflichtete Ansatz funktioniert, liegt sicher auch daran, dass sich hier eine Gruppe von Ausnahme-Könner*innen versammelt hat: Edith Clever brilliert als Varvara, die mit tränenverhangenem Blick ihren unausgelebten Sehnsüchten hinterhertrauert und am Ende doch den Ausbruch wagt. Ilse Ritter verkörperte ihre mädchenhafte, junge Schwägerin Kalerija. Bruno Ganz spielt den Schriftsteller Shalimov, der melancholisch über seine Bedeutungslosigkeit nachgrübelt und sich von der breiten Masse des Volks missverstanden fühlt. Otto Sander gibt einen grobschrötigen Pjotr Suslov, der die anderen vor den Kopf stößt und für die Gefühlskälte des Ancien Regime steht. Ihre Spaziergänge, Tagträume, Monologe und Wortgefechte fing Michael Ballhaus ein, der damals vor allem mit Rainer Werner Fassbinder drehte und ein Jahrzehnt später in Hollywood Karriere machte. #
Sie machen diesen Film zu einem sehenswerten Ausflug in die Theater- und Literaturgeschichte.
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